Nach Begrüßung und inhaltlicher Einführung durch Moderatorin Marion Sendker, in der sie – keine 24 Stunden nach dem Amtsantritt von Donald Trump als neuer alter US-Präsident – die Bedeutung dieser Zäsur in den internationalen Beziehungen deutlich machte, indem sie die bereits unmittelbar erfolgten vielfachen Dekrete ansprach, stellte sie auch die beiden Experten vor: Dr. David Sirakov, Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz e.V. und Dr. Andrew B. Denison, US-amerikanischer Politikwissenschaftler, Kommentator und Publizist sowie Direktor des Forschungsverbunds Transatlantic Networks.
Das Gespräch dominierten die außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen und Ansichten der neuen US-Administration: Militärische Konflikte in der Ukraine und in Nahost, potenzielle Konflikte in Ostasien mit dem systemischen Rivalen China, eine uneinige EU und nach wie vor ein Deutschland, das nicht genug für seine eigene Sicherheit sorge.
Zu Beginn analysierte Dr. Sirakov, dass sich nun der Isolationismus, eine alte amerikanische Tradition in der Außenpolitik, zurückkehre, kombiniert mit einer Einflusssphärenpolitik, bei der es um Migration, Wirtschaft und Sicherheit gehe. Allerdings sei hierbei eine gewisse Unberechenbarkeit das Markenzeichen Trumps. Hinzu komme die Problematik, dass sich die Hyperpolarisierung in den USA zwischen Demokraten und Republikanern ebenfalls auf die Außenpolitik auswirke. Bestes Beispiel sei das Pariser Klimaabkommen: Unter Obama Zustimmung, unter Trump Ablehnung, unter Biden Zustimmung, unter Trump Ablehnung. Der einzige, weiterhin breiter Konsens in diesem Bereich Konsens sei die Identifizierung Chinas als Hauptgegner der USA. Unter Trump werde hier allerdings, wie allgemein in der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik, der Ton deutlich schärfer werden.
Dr. Denison wandte den Blick nach Deutschland. In einer Zeit voller Zäsuren gelte es, Trumps Amerika zu verstehen und sich nicht zu sehr an der Person des Präsidenten abzuarbeiten. Denn Präsidenten kämen und gingen, amerikanische Interesse und Institutionen blieben hingegen bestehen. Europa sei und bleibe wirtschaftlich und sicherheitspolitisch wichtig für die USA und umgekehrt, wobei die Abhängigkeit Europas und vor allem Deutschlands von den USA größer sei (vom amerikanischen Markt, Dollar und Militär). Aber natürlich habe die USA vitale Interessen in Europa und tätigte große Investitionen hier. Ohne Freiheit, Frieden und Wohlstand in Europa könnte sie auch in Asien nicht ihre Ziele erreichen. Aber: Insbesondere Deutschlands Verlässlichkeit werde zunehmend hinterfragt, dessen „Trittbrettfahrerei“ kritisch gesehen. Sind die Aufgaben und der Nutzen fair verteilt? Nutzt Deutschland die USA aus? Mit anderen Europäern bestünden gegenseitig keine so großen Vorbehalte. Dass Russland und China ernste Bedrohungen seien, werde hierzulande noch nicht mit aller Klarheit gesehen bzw. führe nicht zu den notwendigen Konsequenzen, wofür man auch bereit sein müsse, Opfer zu bringen. Es müssten endlich die entsprechenden politischen Maßnahmen ergriffen werden.
Dr. Sirakov ergänzte, Trump teile grundsätzlich alte amerikanische Interessen, wähle aber andere Instrumente und eine klar artikulierte, harte Sprache. Die Frage, wo die USA vitale Interesse habe, ausgenutzt oder unfair behandelt würden, treibe alle Amerikaner um und liege jeder geopolitischen Äußerung zugrunde, ob beim Panama-Kanal, Einfluss in Grönland oder den NATO-Beiträgen. Die Forderung, die letzteren in den Mitgliedsstaaten auf 5 Prozent des BIP zu steigern, seien dabei als Gesprächsangebot zu werten, nicht als absolut und realistisch zu erreichendes Ziel. Dass insbesondere Deutschland seinen Etat aber signifikant erhöhen müsse, sei nicht nur ein valider Punkt Trumps, sondern eine amerikanische Forderung seit Jahrzehnten. Allerdings sei zu bezweifeln, dass dieser erneute Weckruf diesmal für eine robustere deutsche Sicherheitspolitik sorgen werde; es fehle schlicht der politische Wille, das hierzu Nötige umzusetzen – obwohl mittlerweile jedem klar sein sollte, dass das alte „Modell Deutschland“ (Sicherheit von den USA, Energie aus Russland, Absatzmarkt Asien) so nicht mehr funktioniere.
Trotz der schärferen Töne und Forderungen dürfe nicht übersehen werden, dass Deutschland geostrategisch für die USA als Militärstandort immense Wichtigkeit behalte, so Dr. Denison. Hier liege auch die Chance auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit, denn längst seien die militärischen Strukturen ineinander gewachsen. Er betonte, dass Deutschlands geringe NATO-Ausgaben dennoch nicht länger hingenommen werden könnten, und verwies auf die Beispiele skandinavische und baltische Staaten, Polen und Ukraine, die zudem mit Hightech und Innovationen aufwarteten, was auch der Anspruch Deutschlands sein müsse.
Deutschlands Bedeutung als Drehkreuz amerikanischer Sicherheitspolitik unterstrich auch Dr. Sirakov, schließlich gebe es hier auch die größte amerikanische Community inkl. des größten Militärkrankenhauses außerhalb der USA. Trotzdem müssten Deutschland und Europa dringend eigene Sicherheitsinteressen und ‑strategien identifizieren und vertreten, um dann mit den USA in Austausch gehen zu können. Dr. Denison präzisierte, Ideen seien ja vorhanden, aber bislang fehle es an der Bereitschaft, die nötigen Investitionen zu tätigen.
„Deutschland, ‚get real‘.“ – So könnte das Fazit nach diesem hochinteressanten und sehr informativen Gespräch lauten, schloss Marion Sendker: weniger moralischer Impetus, mehr Handeln und alles dafür zu tun, ein kooperatives Verhältnis zu den USA zu bewahren.