Im Zuge der aktuellen Diskussionen über europäische Souveränität mehren sich die Rufe nach einer europäischen Regulierung von Rüstungsexporten. Bisher existiert für die Ausfuhr konventioneller Rüstungsgüter über die EU-Grenzen hinweg lediglich ein Gemeinsamer Standpunkt, der acht Kriterien zur Exportkontrolle festlegt. Obwohl es sich dabei um ein rechtsverbindliches Instrument handelt, werden die Kriterien von Mitgliedsstaaten unterschiedlich ausgelegt und aufgrund fehlender Sanktionen häufig missachtet. Folglich werden Exportentscheidungen nach wie vor auf nationaler Ebene getroffen – ohne Einschränkung, ausgerichtet am nationalen Interesse. Der Mehrwert europäischer Zusammenarbeit bei Waffenexporten beschränkt sich daher auf gegenseitige Information und langfristige Harmonisierung der Ausfuhrpraktiken. Die heterogene Rüstungspolitik in Europa widerspricht den Bemühungen um europäische Souveränität, schwächt den europäischen Pfeiler der NATO und verhindert gemeinsame sicherheitspolitische Ambitionen im Rahmen der GSVP.
Das politische Gewicht der europäischen Staaten sinkt durch den rasanten Aufstieg Chinas und das Aufstreben neuer Rüstungsproduzenten. Nur eine einheitliche Rüstungsexportpolitik wäre in der Lage, Druck auf Käuferstaaten auszuüben, die z.B. Menschenrechte verletzen oder Endverbleibsbestimmungen ignorieren. Während die abgesprochene Nichtlieferung von Systemen für diese schwer kompensierbar ist, zeigen unkoordinierte Exportstopps, wie im Falle Saudi-Arabiens, kaum Wirkung. Nationale Alleingänge sind jedoch nicht nur politisch ineffektiv, sie bergen auch die Gefahr, dass europäische Kooperationsprojekte an Attraktivität verlieren, wenn der Eindruck entsteht, dass diese insgesamt mit höheren politischen Kosten verbunden sind. Zusammen genommen ist die EU weltweit der zweitgrößte Rüstungsexporteur nach den USA. Unabhängig von globalen Machtverschiebungen wird es auch in Zukunft möglich sein, im Rahmen der transatlantischen Zusammenarbeit Einfluss auf regionale Sicherheitskomplexe zu nehmen. Eine Europäisierung der Rüstungsexportkontrolle und eine damit verbunden engere transatlantische Abstimmung, insbesondere bei Ertüchtigungsinitiativen und Embargos, ist daher eine conditio sine qua non.
Es resultieren zwei Möglichkeiten der Harmonisierung, von denen eine Supranationalisierung der Rüstungsexportpolitik zwar die bestmögliche, jedoch auch die unrealistischste Option ist. Dabei würden Export-Befugnisse auf die EU-Kommission oder ein „Aufsichtsgremium“ übertragen, bei Abweichungen vom Gemeinsamen Standpunkt wäre der Europäische Gerichtshof anzurufen. Da dies jedoch weitreichende Vertragsänderungen erfordert, scheint eine projektbezogene Harmonisierung im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) vielversprechender. Dieser steht bereits für einen Tabubruch, da die Kommission erstmals zu Ko-Investitionen von Rüstungsprojekten autorisiert wurde. Es wäre folgerichtig, der Kommission auch Entscheidungsbefugnisse im Bereich der Ausfuhren zu übertragen, zumal das Risiko für nationale Entscheidungsträger in diesem Zusammenhang gering ist. Einerseits sind die EDF-Projekte am unteren Ende des Fähigkeiten-Spektrums angesiedelt, zum anderen wird jedes Projekt einer besonderen ethischen Prüfung unterzogen. Dies sollte Kontroversen im Vorhinein einschränken. Aktuell sieht die EDF-Verordnung vor, dass die Kommission über Exporte informiert wird und die Rückzahlung des Zuschusses verlangen kann, wenn Ausfuhren im Widerspruch zu den Sicherheitsinteressen der Union stehen (Artikel 25). Diese Informationspflicht sollte jedoch wie ein Veto-Recht gehandhabt werden, dem sich dann auch Drittstaaten, wie die USA, beugen müssten. Dies wäre ein erster Schritt zur weiteren Harmonisierung, der helfen könnte den Quantensprung einzuleiten, der notwendig ist, damit Europa seine wichtige Rolle als gestaltende Kraft beim Übergang zu einer neuen friedlicheren Weltordnung wahrnehmen kann.