Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

NATO Talk 2015

Ein Bericht von der NATO Talk Konferenz 2015

Ein Bericht von:Weronika Perlinski, Ann-Sophie Leonard und Reto Pikolin (Bundesakademie für Sicherheitspolitik).

Am 23. November 2015 kamen über 600 Gäste und zahlreiche sicherheitspolitische Experten aus Politik, Militär und Gesellschaft im Berliner Hotel Adlon Kempinski zusammen, um über die Erwartungen an den kommenden Gipfel der Nordatlantikallianz in Warschau 2016 und die veränderten Perspektiven transatlantischer Sicherheit zu diskutieren. Die Konferenz wurde durch die Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V. in Kooperation mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) und der Botschaft der Republik Polen ausgerichtet. Mit dem Titel „Die NATO auf dem Weg nach Warschau“ stellt sie einen Teil der Veranstaltungsreihe „NATO Talk around the Brandenburger Tor“ dar, welche seit 2008 alljährlich zu Debatten über die Zukunft der Nordatlantikallianz nahe dem geschichtsträchtigem Ort, dem Brandenburger Tor, einlädt.

Bereits während der Eröffnung der Konferenz stellte Christian Schmidt MdB fest, dass der Krieg nach Europa zurückgekehrt sei und machte so auf die angespannte sicherheitspolitische Lage in Europa aufmerksam. Als Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft und als Präsident der Deutschen Atlantischen Gesellschaft betonte er die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft mit den Worten des verstorbenen Altbundeskanzlers Helmut Schmidt: „Europa schafft es vielleicht doch noch nicht allein – es gibt gute Gründe für die transatlantischen Beziehungen“. Der Botschafter der Republik Polen in Berlin, Dr. Jerzy Marganski, unterstrich das große Potential, das Wales der Nordatlantikallianz gebracht habe sowie die Dringlichkeit das auf dem kommenden Gipfel in Warschau fortzuführen. Warschau stelle dabei kein Ziel, sondern eine Etappe in der weiteren Anpassungsphase der NATO an die aktuelle sicherheitspolitische Lage dar, die spätestens seit den Anschlägen von Paris vor einer neuen Herausforderung stehe. Der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Dr. Karl-Heinz Kamp, begrüßte das wachsende öffentliche Interesse an sicherheitspolitischen Debatten und betonte, dass dies mit der Bedeutungsschwere der aktuellen Themen auch weiterhin steigen müsse. Gleichzeitig unterstrich er die Wichtigkeit eines Interessensausgleichs der NATO-Mitgliedsstaaten, um eine Spaltung des Bündnisses zu verhindern.

Im anschließenden Programmpunkt Deutschland und die NATO in Zeiten des Wandels blickte Stephan Steinlein, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, auf die neue Selbstwahrnehmung der NATO, die Ausweitung des Engagements und die Sonderrolle Deutschlands. Die Rolle Deutschlands sei geschichtlich begründet als Garant einer stabilen Friedensordnung in Europa definiert. Dennoch erfordern die aktuellen Spannungen in Hinblick auf die Ukraine-Krise eine klare Haltung. Russland müsse signalisiert werden, dass die Gemeinschaft sich nicht spalten lasse. Gleichzeitig rief er aber die Entschlüsse von Wales in Erinnerung, den Draht nach Moskau nicht abreißen zu lassen und mit diplomatischen Mitteln zu einer regelbasierten Sicherheitsarchitektur in Europa zurückzukehren. Sicherheit sei schließlich die Summe aus Abschreckung und Entspannung, so Steinlein.

Auch im weiteren Verlauf der Konferenz wurde die Problematik existierender Spannungen innerhalb der Allianz zwischen Ost und Süd und einer möglichen neuen strategischen Ausrichtung der NATO aufgegriffen. Generalleutnant Heinrich Brauß, Beigeordneter Generalsekretär der NATO für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung, betonte in der Diskussionsrunde Ein Spagat zwischen Ost und Süd? Aktuelle Herausforderungen für die kollektive Verteidigung die gleichsame Bedeutung der Herausforderungen im Osten wie im Süden für Europa und die Allianz. Die NATO sei durch den Readiness-Action-Plan, der die eigene Reaktionsfähigkeit erhöhe und einen 360 Grad Ansatz verfolge, bestens gewappnet, um diesen Spagat anzugehen. Auch Botschafter Mehmet Fatih Ceylan, Ständiger Vertreter der Türkei bei der NATO, sprach sich für einen ganzheitlichen Ansatz aus. Eine Balance müsse nicht nur zwischen Ost und Süd gefunden werden, sondern auch in Hinblick auf die Kernfunktion der NATO: Das Prinzip der kollektiven Verteidigung. Im Zentrum der Diskussion, die von Journalist und Autor Werner Sonne geleitet wurde, stand auch immer wieder die Rolle Deutschlands im Kampf gegen den „IS“-Terror und den damit eng verbundenen Syrien-Konflikt. Tobias Lindner, Mitglied des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen, und Klaus Scharioth, Staatssekretär a.D., waren sich einig, dass etwaige militärische Optionen der Bundesregierung zunächst einer genauen Prüfung bedürfen. Während Lindner sich gegen den Einsatz von Bodentruppen aussprach, betonte Scharioth die Notwendigkeit, zunächst die Erfolgsaussichten aller militärischen Strategien abzuwägen, bevor es zu einer endgültigen Entscheidung über den Einsatz der Bundeswehr kommen könne.

„NATO is the most capable alliance in history and has the capacity to do it both“
Admiral a.D. James G. Stavridis, 23. November 2015

Der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ralf Brauksiepe MdB, unterstrich die fundamentale Bedeutung der transatlantischen Allianz für die europäische und damit auch deutsche Sicherheit. In der von Ulrike Demmer, Leiterin des Hauptstadtbüros des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), moderierten Podiumsrunde Die Allianz aus transatlantischer Perspektive wies er auf den Anstieg des deutschen Verteidigungsetats 2016 hin. Die damit verbundene Verantwortung Deutschlands in Europa und der NATO werde sehr ernst genommen und auch in anderen Initiativen Deutschlands, wie der Deutsch-Amerikanischen Ausbildungsinitiative und dem Framework Nations Concept, deutlich. Die amerikanische Perspektive wurde durch Admiral a.D. James G. Stavridis vertreten. Der ehemalige Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO (2009−2013) hob die Arbeit Deutschlands in Afghanistans vor, betonte aber gleichzeitig, Afghanistan dürfe nicht aus dem Fokus der sicherheitspolitischen Debatten geraten. Stavridis unterstrich die reichhaltigen Kapazitäten, die der NATO vorliegen würden und die somit ihren Beitrag zu einer Konfliktregulierung/-lösung leisten könnten, wie beispielsweise auch im Kampf gegen den IS. Um über die Beteiligung der Mitgliedsstaaten an militärischen Operationen zu diskutieren, bedürfe es allerdings einer ehrlichen Diskussion unter Freunden. Er rief in der Frage nach einer Priorisierung der aktuellen Konfliktherde dazu auf, nicht „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“ zu handeln.

Die zentrale Bedeutung der Euro-Atlantischen Sicherheitsarchitektur spiegelte sich auch in der anschließenden Podiumsdiskussion Mehr Sicherheit durch vertiefte Kooperation? wieder, durch die der frühere Generaldirektor des Internationalen Militärstabes der NATO, Generalleutnant a.D. Jürgen Bornemann, führte. Botschafter Gabor Iklody, Direktor Krisenbewältigung und Planung im Europäischen Auswärtigen Dienst, ist überzeugt davon, dass die veränderte globale sicherheitspolitische Lage eine engere Zusammenarbeit zwischen EU und NATO erfordere, um Konflikte zu lösen. Auch Generalleutnant Hans-Werner Wiermann, Deutscher Militärischer Vertreter in den Militärausschüssen der NATO und der EU, stimmte in diesem Punkt mit Iklody überein. Gleichzeitig betonte er jedoch die Notwendigkeit eines Kooperationswillens auf beiden Seiten. Um die aktuellen Krisen lösen zu können, müssten zunächst Ressourcen verfügbar gemacht werden. Eine instrumentalisierte Partnerschaft könne nicht funktionieren, so Wiermann. Botschafter a.D. Karl Schramek, Ständiger Vertreter Österreichs bei der NATO 2008 bis 2014, sieht in der bisherigen EU-NATO Kooperation keinen besonderen Mehrwert. Zwar würde der Bedeutung der NATO in Anbetracht der aktuellen Ereignisse nun wieder mehr Gewicht zu kommen, doch stehe diese intern vor der Frage, ob sie als rein militärisches Bündnis gegenwärtig überhaupt noch ohne eine gemeinsame politische Position agieren könne. Botschafter Dr. Fred Tanner, Berater des Generalsekretärs der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), hob die besondere Rolle der OSZE hervor, die spätestens seit der Ukraine-Krise wieder stärkeren Eingang in sicherheitspolitische Diskussionen gefunden habe. Die Neutralität der OSZE ermögliche eine vertiefte Kooperation sowohl mit der NATO als auch der EU. Des Weiteren betonte Tanner die Wichtigkeit von Dialog und Vertrauensbildung als Schlüssel für eine nachhaltige Lösung von Konflikten.

Im Anschluss an die Konferenz bot ein Empfang im Hotel Adlon Kempinski auf Einladung der Botschaft Polens eine geeignete und einladende Atmosphäre für weiterführende Gespräche und einen Austausch zwischen den Referenten und Besuchern der Veranstaltung.

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