Militärstrategisch muss man die Ukraine wohl als Pufferstaat zwischen Russland und der NATO bezeichnen. Solche Pufferstaaten erhöhen qua definitionem die Stabilität zwischen zwei Großmächten, tragen dafür aber oft selbst unendliche Leiden davon. Lag dem Umgang der NATO ebenso wie der Umgang der Europäischen Union mit der Ukraine solches strategisches Denken zugrunde, als beide ein eigenes militärisches Eingreifen schon vor der russischen Invasion in die Ukraine kategorisch ausgeschlossen und die Ukraine damit der militärischen Übermacht Russlands preisgegeben haben?
So einfach sei das nicht, verneint Atlantic-Talk-Gast und DAG-Präsident Christian Schmidt. Nachdem man das Blockdenken lange Zeit als vergangen glaubte, hätten die NATO und die EU vor der Entscheidung gestanden, entweder »einen globalen – oder jedenfalls europäischen Krieg mit US-amerikanischer Beteiligung – zu provozieren oder einen regionalen Konflikt möglichst zu begrenzen«. Die militärische Zurückhaltung sei insofern richtig gewesen, selbst auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden.
Christian Schmidt wurde im Mai 2021 auf Vorschlag der deutschen Bundesregierung vom Friedens-Implementierungs-Rat zur Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina gewählt. Vor dem Hintergrund der russischen Großmachtambitionen müsse es nun innerhalb der Europäischen Union auch dringend zu einer Neubewertung der EU-Beitrittsbemühungen der Staaten des Westbalkans kommen, fordert Schmidt. Er verweist beispielsweise auf die Entscheidung des serbischen Ministerpräsidenten Alexandar Vucic, der in der UNO-Vollversammlung trotz der traditionellen Nähe Serbiens zu Russland für die Verurteilung des russischen Angriffskriegs gestimmt hat. Auch auf dem Balkan wachse die Sorge, zwischen die Fronten zu geraten.
Mit einem klaren Ja beantwortet Christian Schmidt die Frage von Moderator Oliver Weilandt, ob er denn die Überzeugung des Augustinus bis heute für wahr halte, dass wer den Frieden will, den Krieg vorbereiten müsse. Ihm – so Schmidt – bestätige der Krieg in der Ukraine leider erneut: Es gibt auf dieser Welt eben nicht Frieden und Freiheit für jeden zu allen Zeiten. »Si vis pacem para bellum« sei für ihn daher bis heute die Formel, um jene einzuhegen, die den Frieden stören.