Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

Strategische Herausforderungen des Klimawandels: Eine Analyse der Auswirkungen auf das Militär

Ausgabe 36: Leonhard Simon

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Hohe Temperaturen lassen den Permafrostboden in Alaska auftauen. Heftige Niederschläge führen zu erheblichen Bauschäden an Gebäuden auf der Eielson Air Force Base bei Fairbanks und ziehen Reparaturkosten in Millionenhöhe nach sich. Bewaffnete Auseinandersetzungen werden in Kamerun zwischen Fischern und Bauern um knapper werdende Wasserressourcen geführt, hunderte sterben, tausende müssen fliehen. Die Auswirkungen des Klimawandels stellen das Militär vor neue, unvorhergesehene Herausforderungen, die sowohl die Einsatzbereitschaft als auch die finanzielle Belastbarkeit der Streitkräfte auf die Probe stellen. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit das Militär in Klimaschutzmaßnahmen eingebunden ist, welche Auswirkungen zu erwarten sind und wie dem Klimawandel von Seiten des Militärs begegnet werden kann.

Ein Ansatzpunkt ist Deutschlands neue Nationale Sicherheitsstrategie. Hier werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die nationale Sicherheit zwar grundsätzlich anerkannt, aber gerade im Hinblick auf das Militär geht die Analyse nicht weit genug. Die Rolle militärischer Einrichtungen, der Schutz der operativen Einsatzfähigkeit, die strategischen Implikationen, aber auch die Vorteile der Umsetzung von Klimaschutzzielen mit Blick auf geopolitische Interessen werden nicht erwähnt.

Bedrohung für Soldaten, Infrastruktur und Ausrüstung

Steigende Temperaturen, extreme Wetterereignisse und der Anstieg des Meeresspiegels haben weitreichende Folgen für Soldaten, militärische Logistik und Ausrüstung. Der menschliche Körper wird durch anhaltende Hitze stark belastet. Soldatinnen und Soldaten müssen sich auf immer längere Perioden extremer Hitze im Einsatz einstellen. Die militärische Ausrüstung muss überdacht werden, um die körperliche Belastung der Soldaten zu reduzieren. Leichtere Ausrüstung unter Beibehaltung der Schutzwirkung oder die Planung der Trinkwasserversorgung sind Aspekte, die bisher kaum berücksichtigt wurden. Gleichzeitig muss die militärische Infrastruktur überdacht werden. Heftige Waldbrände haben beispielsweise dazu geführt, dass eine der größten militärischen Einrichtungen der USA, die Travis Air Force Base in Nordkalifornien, evakuiert werden musste, während andernorts milliardenteure Flugzeuge beschädigt wurden. Der Schutz dieser Einrichtungen muss ebenso in die Planungen einbezogen werden, wie sich die Einsatzlogistik durch die mögliche Unbenutzbarkeit von Transportwegen wie Straßen und Schienen massiv verändern kann.

Spannungen um knappe Ressourcen werden steigen

Landverknappung durch Dürren, wiederholte Überschwemmungen von Ackerflächen, steigende Nahrungsmittelpreise durch Ernteausfälle, veränderte Bedingungen für die Viehwirtschaft, Wassermangel und andere Extremereignisse können gesellschaftspolitische Spannungen verschärfen. Fluchtbewegungen, die durch die genannten Phänomene ausgelöst werden, sind bereits zu beobachten. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Militär vermehrt in humanitäre Einsätze oder Friedensmissionen eingebunden wird, steigt. Auf der anderen Seite eröffnet das Abschmelzen der Eismassen an den Polkappen neue Möglichkeiten der Rohstoffgewinnung und der Nutzung von Schiffspassagen – sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke. So beobachten das US-Militär, aber auch Norwegen bereits verstärkte militärische Aktivitäten russischer und chinesischer Streitkräfte in bisher ungenutzten oder neutralen Gebieten wie Spitzbergen. Wesentliche kritische Infrastrukturen wie Gaspipelines oder Tiefsee-Internetkabel wären durch militärische Aktivitäten massiv gefährdet.

Streitkräfte als Kohlenstoffdioxidemittenten

Ob der Klimawandel in seinem derzeitigen Ausmaß noch aufgehalten oder zumindest verlangsamt werden kann, ist umstritten. Klar ist aber, dass die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen reduziert werden müssen, um Schlimmeres zu verhindern. Das Militär ist in besonderem Maße an den CO2-Emissionen beteiligt, so ist z.B. das US-Militär einer der größten staatlichen Verbraucher fossiler Energieträger und trägt hier eine besondere Verantwortung.

Ganz allgemein gesprochen verbraucht vor allem der Betrieb von Militärfahrzeugen und ‑flugzeugen, die oft mit großen und leistungsstarken Motoren ausgestattet sind, viel Treibstoff und verursacht damit hohe CO2-Emissionen. Aber auch der Betrieb von militärischen Einrichtungen wie Kasernen, Ausbildungszentren und Waffendepots trägt zum Ausstoß von Treibhausgasen bei, da für Beleuchtung, Heizung und Kühlung große Mengen an Energie benötigt werden, die häufig aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Auch bei der Produktion von Waffen und Rüstungsgütern, die oft energieintensive Herstellungsprozesse erfordert, entstehen erhebliche Mengen an CO2.

Eine effektive und glaubwürdige Klimaschutzstrategie kann nur dann erfolgreich sein, wenn die militärischen Institutionen in die Planungen zur Emissionsminderung einbezogen werden. Ein Umstand, der in der Nationalen Sicherheitsstrategie keine Erwähnung findet. Aber nicht nur der Verzicht sollte im Vordergrund stehen, sondern auch die Nutzung der immensen Innovationschancen.

Innovationen und Investitionen schützen

In all den genannten Bereichen besteht ein erhebliches Potenzial für Emissionsminderungen durch intensive Forschung und Innovation. Die Herausforderung besteht darin, dass die derzeitigen industriellen Lösungen oft unzureichend sind. Militärische Einsätze finden oft unter extremen Bedingungen statt und erfordern eine hohe Zuverlässigkeit von Ausrüstung und Technologie, die unter schwierigen Bedingungen wie Schmutz oder starken Temperaturschwankungen funktionieren müssen. Zweifel an der Zuverlässigkeit können den Einsatz gefährden und letztlich dem Ansehen der Truppe schaden. Investitionen in klimafreundliche, grüne Technologien für den militärischen Einsatz können jedoch das Vertrauen in diese Technologien wieder stärken. Gleichzeitig können die erheblichen Ausgaben zu ganz neuen Kooperationen führen, die Wirtschaft ankurbeln und neue Arbeitsplätze schaffen. Ebenso können, wie sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, Investitionen im militärischen Bereich zu erheblichen Verbesserungen im zivilen Bereich führen.

Trotz dieser Herausforderungen und trotz berechtigter Zweifel am derzeitigen Stand klimafreundlicher Technologien, wie z.B. der geringen Effizienz von Batterien, können konkrete Anstrengungen zur deutlichen Reduktion von Emissionen mittel- und langfristig zu einem strategischen Vorteil werden. Investitionen in klimafreundliche Technologien wie Solarenergie, Wind- und Wasserkraft oder neue Antriebsformen wie Wasserstoff machen die NATO-Staaten unabhängiger von Öl- und Gasimporten. Gleichzeitig wächst der strategische Vorteil. Systeme, die ohne externe Energiequellen auskommen, sind flexibler einsetzbar und können autarker agieren. So ist das Mitführen von Treibstoff in Konfliktgebiete ein extremes Risiko, Treibstofflager und lieferungen sind ein wichtiges Ziel im aktuellen Krieg in der Ukraine. Ebenso sind Streitkräfte, insbesondere in Ländern mit geringen eigenen Ressourcen an fossilen Brennstoffen, von globalen Preisen und Lieferketten abhängig. Ausgedehnte militärische Konflikte können die Kosten massiv in die Höhe treiben. Ausgaben, die nicht von allen getragen werden können oder an anderer Stelle effizienter ausgegeben werden könnten.

In einer sich dynamisch verändernden geopolitischen Landschaft ist die unbegrenzte Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe keineswegs garantiert. Selbst kurzfristige Versorgungsengpässe können Milliarden kosten oder im Ernstfall das Leben von Soldaten gefährden. Die Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen kann daher die Autonomie militärischer Operationen erhöhen und gleichzeitig die nationale Sicherheit stärken. Diese Autonomie kann in den kommenden Jahren ein wichtiger geostrategischer Vorteil sein, insbesondere vor dem Hintergrund sich verändernder globaler Allianzen.

Geopolitik und Klimawandel müssen zusammen gedacht werden

Wenn die Ukraine bombardiert wird und die Verteidigungsministerien genug damit zu tun haben, die grundlegenden Sicherheitsgarantien zu gewährleisten, könnte man sich fragen, ob dies der richtige Zeitpunkt ist, um über den Klimawandel und seine Auswirkungen auf das Militär nachzudenken. Wir müssen jedoch aufhören, in Listen zu denken und davon auszugehen, dass die russische Bedrohung jetzt bekämpft wird und der Rest später kommt. Die Bedrohungslandschaft ist vielschichtig und eine Bedrohung kann neben einer anderen bestehen. Deshalb ist es wichtig, im Rahmen einer Sicherheitsstrategie die militärischen Aspekte des Klimawandels viel stärker mitzudenken und zu berücksichtigen.

Ein Beitrag von:

Leonhard Simon

Präsident, Junge DAG (YATA Germany)

Leo Simon wurde 2019 in den Vorstand gewählt und ist seit Juli 2022 Präsident von der Jungen DAG. Er arbeitet als selbständiger Journalist und Politikberater. Zuvor koordiniert er als Senior Public Relations Manager die Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung Internationaler Karlspreis zu Aachen hat als Communications- und Project Manager bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) gearbeitet. Dort war er für die Produktion aller digitalen Kommunikationsinhalte zuständig und hat hochrangige internationale Konferenzen (mit-)organisiert. Seinen Master hat er beim Institut Barcelona d'Estudis Internacionals in Internationaler Sicherheit abgeschlossen, zuvor studierte er (Internationale) Politik in München und Cork, Irland.

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