Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

Abschlussbericht des Seminars »‘Securing a Green New Deal‘ Wie verändert sich internationale Sicherheitspolitik in einer nachhaltigen Wirtschaftsordnung?“

Das Seminar fand vom 07. – 09. April 2021 in Zusammenarbeit mit dem Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr online statt.

Der Wandel hin zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsweise wird die globale Ordnung in den kommenden Jahren grundlegend verändern. In Anlehnung an den „New Deal“, den US-Präsident Franklin D. Roosevelt in den 1930er Jahren als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise ins Leben rief, machen sich Demokraten im US-Kongress seit 2019 für einen „Green New Deal“ stark. Den Übergang zu einer ressourceneffizienten und nachhaltigen Wirtschaft strebt auch die Europäische Kommission mit ihrer Gesetzesinitiative des „European Green Deal“ an. Nicht zuletzt die chinesische Industriepolitik setzt auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien. Welche Chancen und Risiken sich bei der Implementierung solcher Mammut-Nachhaltigkeitsstrategien ergeben und wie sich sicherheitspolitische Herausforderungen gestalten, diskutierte das gemeinsam vom Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr und YATA Germany veranstaltete Seminar im April 2021 mit rund 25 Studierenden, Nachwuchsakademikern und Young Professionals. 

Unter Pandemiebedingungen fand das Seminar im Online-Format statt, was aber einer lebhaften Diskussion sowie dem direkten Austausch unter den Teilnehmenden in Kleingruppen nicht im Wege stand. Auch über das Seminar hinaus konnten so Kontakte geknüpft, Forschungsthemen abgeglichen und Pläne für gemeinsame Projekte geschmiedet werden. Bemerkenswert war die gute Arbeitsatmosphäre im Online-Raum, sodass sicher weitere Zusammenarbeiten im Rahmen von YATA entstehen werden. 

Das dreitägige Programm bot eine Reihe von Vorträgen samt anschließender Möglichkeit zur Diskussion mit Fachleuten aus Wissenschaft und deutscher sowie europäischer Außenpolitik. Diese wurden in mehreren Workshop-Einheiten von den Teilnehmenden vor- und nachbereitet, sodass auch viel Zeit zur eigenen kreativen Beschäftigung mit den Thematiken blieb. Morgen-Briefings und Abend-Debriefings rundeten das Programm ab. Am ersten Abend bot sich zudem die Möglichkeit zum virtuellen Get-Together, am zweiten Abend stellte Vorstandsmitglied Veronika Fucela die Strukturen von YATA Germany vor. 

Der erste Seminartag diente der Erarbeitung eines ganzheitlichen Sicherheitsbegriffs. Nach einer einleitenden Begrüßung durch den Seminarleiter Dr. Philip Jan Schäfer (Wissenschaftlicher Referent beim Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr, Bereich Weiterentwicklung) und einer Vorstellungsrunde der Teilnehmenden skizzierte Professor Thomas Ries (National Defence College, Stockholm) unter dem Titel „Flow Security“ eine systemorientierte Sicherheitsvorstellung. Er führte vor Augen, wie vernetzt die moderne Welt als „globales Dorf“ ist. Illustriert wurde dies anhand von menschengemachten wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Vernetzungen bzw. Strömen (flows), die zudem auf ein funktionierendes globales Ökosystem angewiesen sind. Ausgehend von der These, dass solche modernen Systeme zwar sehr effizient aufgebaut, aber dafür fragil sind, wurden mögliche Szenarien des Systemzusammenbruchs diskutiert. Interessant war der global vergleichende Blick auf Demokratien und Autokratien, der auf Professor Ries‘ jahrzehntelanger und bis in die Zeit des Kalten Kriegs zurückreichender Forschungserfahrung basierte. 

Vortrag und Diskussion dienten als Ausgangspunkt, um anschließend in einer von Dr. Philip Jan Schäfer angeleiteten Einheit eine Perspektive aus Sicht der deutschen Sicherheitspolitik hinzuzufügen. Grundlagen eines erweiterten Sicherheitsbegriffs wurden anhand von Politikfeldern wie Cyber und Klima thematisiert und illustriert. 

So konnten Schwerpunktthemen aus Sicht der Teilnehmenden identifiziert werden, die am Morgen des zweiten Seminartags in Kleingruppen diskutiert wurden. Die Aufgabenstellung für diese Workshop-Einheit bestand darin, hinsichtlich der für den „European Green Deal“ relevanten Felder Energie, Ressourcen und Sicherheitspolitik Themen zu priorisieren und Politikempfehlungen zu generieren. Das bot viel Raum für eine offene Debatte, von der Wasserpolitik im Nahen Osten über Recycling-Strategien bis hin zu geopolitischen Fragen im südchinesischen Meer. Daran gut anknüpfend erhielt die Gruppe die Gelegenheit zum Austausch mit zwei Experten vom Auswärtigen Amt: Meik Clemens Laufer, Referent für Energieaußenpolitik, und Dr. Sebastian Leuschner, Referent für Klima- und Umweltaußenpolitik, sprachen über Auswirkungen des Klimawandels auf die globale Sicherheitslage und die Antworten vonseiten Nationalstaaten und multilateralen Organisationen im globalen Vergleich (z.B. UN-Resolutionen, Aufnahme von Klimathemen in die Globale Strategie der EU). Indem die Referenten diesen umfassenden Blick mit einem direkten Bericht über ihre jeweiligen Arbeitsbereiche verknüpften, wurde Deutschlands Beitrag zur europäischen und internationalen Klimadiplomatie besonders deutlich. Die Speaker unterstrichen: Es besteht dringender Handlungsbedarf, da sich bei Fortführung des gegenwärtigen Ambitionslevels immer noch eine Erderwärmung von ca. 3,2 Grad ergibt – entgegen der im Pariser Klimaabkommen definierten Begrenzung auf deutlich unter 2 Grad. Konkrete Beispiele aus dem Arbeitsfeld Klimaaußenpolitik wie das Projekt Nordstream II oder der Palmölkonflikt zwischen der EU und den ASEAN-Staaten rundeten den Vortrag ab. 

Die angesprochene EU-Perspektive vertiefte daraufhin Pierre Schellekens, Referatsleiter Kommunikation in der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission. Die EU könne mit gutem Beispiel vorangehen und auch andere Akteure wie die USA, China oder Indien zu mehr Klimaneutralität motivieren. Eng verknüpft sei diese Aufgabe mit dem EU-Ziel der globalen Demokratieförderung, denn die meisten der weltgrößten Verursacher von CO2-Emissionen seien keine Demokratien. Daher unterstrich Schellekens die Wichtigkeit, Ländern wie Marokko Anreize zum Export von sauberer Energie nach Europa zu geben. 

Am letzten Seminartag beschäftigte sich die Gruppe mit einem Thema, das laut wissenschaftlicher Meinung bei der Politikgestaltung im Rahmen eines „Green New Deal“ stärker berücksichtigt werden sollte: Die Verrechtlichung der Weltmeere (Ocean Governance). Dr. Ulrike Kronfeld-Goharani vom Institut für Sozialwissenschaften an der Universität Kiel stellte Grundlagen der Entwicklung des internationalen Seerechts vor, erklärte, wie maritime Zonen eingeteilt und Besitzansprüche rechtlich geregelt werden und verdeutlichte: Eine universale Meeresregierung existiert bis dato nicht. Vielmehr umfasst die Ocean Governance ein unkoordiniertes System von autonomen Prozessen, von einer Vielzahl an Akteuren, Institutionen und politischen Maßnahmen umgesetzt. Überschneidungen und Dopplungen, etwa in den institutionellen Befugnissen, sind daher keine Seltenheit. Als Profiteure eines solchen Systems nannte Kronfeld-Goharani jene Staaten, die auf hoher See einzelne, wenn auch kleine, Inseln besäßen, die exklusive Fischereirechte und Rechte an Bodenschätzen in einem großen Umkreis begründeten. Bezüglich letzterer erklärte die Referentin das in den letzten Jahren gestiegene Interesse am Tiefseebergbau zur Förderung von Rohstoffen etwa in Form von Manganknollen. 

Hier wurden Zielkonflikte besonders deutlich: Zwischen der materialintensiven ökonomischen Entwicklung in Industriestaaten, die gerade im Technologiesektor auf Metalle, wie sie in der Tiefsee zu finden sind, angewiesen ist, und der Abhängigkeit der Küstenbewohner von gesunden Ökosystemen; zwischen einem Mehr an Technologie und gestiegener Sensibilität für den Klimawandel; zwischen Interessen des globalen Nordens und Südens. Bei der Gruppe verblieb in der anschließenden Diskussion eine große Sensibilität für solche Dilemmata. Im abschließenden Workshop, der eine Verbindungslinie zwischen dem Anspruch eines „Green New Deal“ und internationaler Sicherheitspolitik zog, schwang daher stets das Bewusstsein eines größeren Handlungsbedarfs mit. Nicht zuletzt deshalb war das Seminar ein voller Erfolg: Viele Fragezeichen verblieben, die die Mitglieder der Gruppe sicher weiter auf ihrem akademischen und beruflichen Weg begleiten werden. 

Ein Beitrag von:

Dr. Christina Forsbach

Konrad-Adenauer-Stiftung

Christina Forsbach ist Referentin in der Begabtenförderung/Studienförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Zuvor beschäftigte sie sich in ihrer Promotion mit einem Vergleich der US-amerikanischen und der EU-Demokratieförderagenden in Tunesien vor, während und nach dem sogenannten „Arabischen Frühling“. Für die Arbeit, die bei Nomos erschien, hat sie umfangreiche Feldforschung durchgeführt.

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