Noch vor wenigen Monaten erschien diese Entwicklung kaum vorstellbar: Der bosnische Serbenführer Milorad Dodik hat hoch gepokert, doch sein Karriereende als Präsident der „Republika Srpska“ (kurz: RS) scheint nun so gut wie besiegelt zu sein. Doch wird Dodik diese Niederlage einfach hinnehmen? Die Zweifel daran bleiben bestehen.
Aber der Reihe nach: Im Februar 2025 ist der bosnisch-serbische Präsident der RS im Rahmen eines 2‑jährigen Prozesses wegen Missachtung der Autorität des Hohen Repräsentanten (HR) der Vereinten Nationen, namentlich Christian Schmidt, verurteilt worden. Demnach erhielt Milorad Dodik eine Haftstrafe von zwölf Monaten. Des Weiteren darf er sich für einen Zeitraum von sechs Jahren politisch nicht mehr betätigen. Das besagte Amt darf Dodik somit nicht mehr länger ausüben. Das Urteil der ersten Instanz bestätigte kürzlich auch die Berufungskammer des Obersten Gerichts von Bosnien-Herzegowina in der Hauptstadt Sarajevo. Dementsprechend hat am 7. August dieses Jahres die Zentrale Wahlkommission Bosnien-Herzegowinas dem RS-Präsidenten das politische Mandat entzogen. Sehr wahrscheinlich dürften bald Neuwahlen stattfinden. Dodik selbst will davon – erwartungsgemäß – nichts wissen und setzt stattdessen auf ein Referendum als letzten Ausweg – ein politisches Mittel, das er schon mehrfach in der Vergangenheit zum Einsatz bringen wollte, aber nur einmal im Jahr 2016 anwenden konnte. In dem konkreten Fall wurde das Ergebnis jedoch vom bosnisch-herzegowinischen Verfassungsgericht für nichtig erklärt. Gleichzeitig spielt er mit dem Gedanken, für den Fall der Fälle seinen Sohn Igor als seinen Nachfolger zu installieren, um auf diese Weise doch noch im politischen Geschäft zu bleiben, sprich um wenigstens im Hintergrund die Strippen zu ziehen. Ob das aber ein realistisches Szenario darstellt, bleibt erst einmal abzuwarten. Fakt ist: Die staatliche Wahlkommission steht in der Pflicht, im Zeitraum von 90 Tagen für die Wahl eines neuen RS-Präsidenten zu sorgen, um damit die staatliche Handlungsfähigkeit wiederherzustellen.
Zu den verzweifelten Versuchen eines Separatisten und Nationalisten, seine Macht zu retten
Mit dem Argument der Befangenheit des bereits erwähnten bosnisch-herzegowinischen Gerichts, das angeblich von politischen Motiven und nicht von echten juristischen Argumenten angetrieben sei, versucht Milorad Dodik, sich von der Schlinge um seinen Hals zu befreien und sich als Opfer der bosnisch-herzegowinischen Justiz darzustellen, die er zudem ohnehin nicht anerkennt. Zu allem Überfluss schiebt er dann auch noch die Ankündigung seiner erneuten Kandidatur bei den turnusmäßigen Präsidentschaftswahlen in der RS im Jahr 2026 hinterher, was wie blanker Hohn klingt. Schützenhilfe bekommt Dodik dabei, was wenig verwundert, von Serbien und Ungarn – zwei Staaten mit einem guten Draht nach Moskau. Zu Serbien muss hier nichts Näheres ausgeführt werden, da die Sachlage klar ist. Ein anderer Punkt verlangt dann aber doch noch eine gewisse Einordnung, nämlich folgender: Für Viktor Orbán, also dem ungarischen Ministerpräsidenten, liefert das Gerichtsurteil gegen Dodik eine Steilvorlage, um wieder einmal gegen die von ihm so gehasste Europäische Union (EU) zu wettern. Auch Russland dürfte daran durchaus Gefallen finden, weil diese Aktion zur Beschädigung des Ansehens Europas beiträgt. Insofern verbindet an dieser Stelle die erwähnten Staaten und deren jeweilige politische Führung das gemeinsame Ziel, die EU zu schwächen, wann immer es möglich ist. Neben dem bereits angesprochenen Orbán ist der serbische Präsident Aleksandar Vučić der wichtigste regionale Verbündete von Milorad Dodik.
Insgesamt fällt das Strafmaß gegen Dodik doch recht moderat aus: So kann er in diesem Fall einem Gefängnisaufenthalt gegen eine Kaution in Hohe von 18.000,00 Euro entgehen. Nur das Verbot jeglicher politischer Betätigung bleibt bestehen bzw. ist rechtskräftig. Letzteres könnte der Sargnagel für Milorad Dodiks politische Karriere sein. Dennoch würde selbst dieser Umstand nichts daran ändern, dass das politische Establishment in der RS sehr wahrscheinlich – ganz unabhängig von einer bestimmten Person – weiterhin nach Möglichkeiten Ausschau hält, um ein gewisses Maß an Unabhängigkeit gegenüber Sarajevo zu wahren und gegebenenfalls sogar Abspaltungstendenzen in der RS zu fördern, je nachdem, wer die politische Führung ausübt und welche Politik geboten erscheint.
Trotz unerwarteter positiver Wendung bleibt die Gesamtlage schwierig
Doch was bedeutet all dies nun konkret für die Föderation Bosnien und Herzegowina (FBiH)? Keine Frage: Das mögliche politische Karriereende von Dodik ist ein Punktsieg für die FBiH, aber noch lange kein Grund, um wirklich durchzuatmen in Sarajevo. Die Wahrscheinlichkeit einer Phase der Entspannung im Verhältnis zur RS und ihrer faktischen Hauptstadt Banja Luka ist nicht sonderlich hoch, hier sollte Realismus walten. Trotzdem ist es wichtig, dass die FBiH auf der Einhaltung der Gesetze und Grundsätze für den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina besteht und darauf achtet, die Verfassung zu wahren. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für die Legitimität des Gesamtstaates.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Problematik zwischen den beiden Entitäten, sprich die FBiH und die RS, in dem kleinen Balkanstaat weiterhin bestehen bleibt und nicht entscheidend von Milorad Dodiks politischem Schicksal abhängt. Vielmehr sollte die EU in Zusammenarbeit mit dem HR die Gunst der Stunde nutzen, um nach zukunftsträchtigen Lösungswegen zu suchen, vor allem vor dem Hintergrund eines – zumindest perspektivischen – EU-Beitritts von Bosnien-Herzegowina. Das Grundproblem bleibt somit bestehen, ob mit oder ohne Milorad Dodik als Hetzer, Spalter und Störfaktor, der, daran sollte an dieser Stelle unbedingt erinnert werden, früher einmal als Hoffnungsträger der westlichen Staaten galt.