Goch. Er hat die Menschen mitgerissen, hat den Finger in manche Wunde gelegt, aber hat auch Perspektiven aufgezeigt: Joachim Gauck, Bundespräsident außer Dienst, aber als politisch interessierter Mensch immer noch im Dienst. Im Collegium Augustinianum Gaesdonck in Goch sprach der Altbundespräsident zu dem Thema „Demokratie muss wehrhaft sein“. Und er fühlte sich zu Hause am Niederrhein „unter Menschen, die sich mit unserer Demokratie beschäftigen.“
Fast 700 Zuhörer durften der Direktor des Collegium Augustinianum, Dr. Markus Oberdörster, der Kommandeur des Zentrum Luftoperationen, Generalleutnant Thorsten Poschwatta und der Regionalleiter Niederrhein der Deutschen Atlantischen Gesellschaft, Oberstleutnant a. D. Michael Urban, in der Aula der Gaesdonck begrüßen. Unter den Gästen waren neben zahlreichen Schülern des Gocher Internats auch Landrat Christoph Gerwers, die Bürgermeister aus Kalkar, Dr. Britta Schulz, Uedem, Rainer Weber und Kleve, Wolfgang Gebing, sowie die beiden Landtagsabgeordneten Dr. Günter Bergmann und Stephan Wolters.
Als Mensch, der in der DDR aufgewachsen ist, nahm Joachim Gauck die Zuhörer zunächst einmal mit auf eine Exkursion in die Einschüchterungsmethoden kommunistischer Diktaturen, um anschließend die Frage zu stellen: „Was fürchtet Putin?“ Der russische Präsident, so Gauck, fürchte jede Form von Demokratiebestrebungen. Als ehemaliger KGB-Funktionär habe er erlebt, wie die Menschen in der DDR auf die Straßen gegangen sind, und „Wir sind das Volk“ gerufen haben. „Das“, so Gauck, „hat Putin geprägt, das wollte er auf jeden Fall in Russland verhindern.“ Um innere Unruhen zu unterbinden wählte Putin erfolgreich die Methode äußere Feinde zu schaffen. „Dann“, so der Altbundespräsident weiter, „scharrt sich das Volk im Inneren zusammen.“ Als Putin die Demokratiebestrebungen und den Kurs Richtung Westen in der Ukraine bemerkte, sah er sich zum militärischen Eingreifen gezwungen. Was er unterschätzt habe, sei die Bereitschaft der ukrainischen Bevölkerung die junge Freiheit und Demokratie mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. „Der Westen muss die Ukraine weiterhin unterstützen“, so der Appell Gaucks an die westliche Welt, „sonst wird sich Putin weitere Ziele suchen.“
Die deutsche Politik kritisierte der Bundespräsident a. D. als zu gutmütig in den vergangenen Jahren. Der Glauben daran, dass Russland ein Partner sei, der die friedliche Kooperation mit der NATO und der EU suche, sei mehr Wunschdenken als echter Glaube gewesen: „Es war falsch zu sehr auf die Friedensdividende zu setzen.“ Deutschland müsse die Verteidigungsfähigkeit neu lernen, so Gauck in seinen Ausführungen weiter, und müsse sich dabei auch auf Bedrohungen von innen einstellen. Desinformation oder Anschläge gegen kritische Infrastruktur seien mögliche Bedrohungsszenarien. Aber Joachim Gauck zeichnete nicht nur trübe Aussichten von äußeren und inneren Bedrohungen, sondern blickte auch mit Optimismus nach vorn. „Dieses Deutschland“, so Gauck mit Blick auf die gefestigte Demokratie und liberale Ordnung im Land, „ist das beste Deutschland das wir je hatten.“ Die Akteure der politischen Mitte forderte der Altbundespräident zu mutigem Handeln und klarer Kommunikation auf: „Die Wähler möchten nicht, dass die gewählten Politiker nicht auffallen.“
Am Ende des mehr als einstündigen Vortrags standen die Zuhörer im Saal und spendeten minutenlang Applaus. Ein sichtlich gerührter und bewegter Bundespräsident a. D. genoss danach noch das Bad in der Menge, beantwortete Fragen von Schülerinnen und Schülern, stand für zahlreiche „Selfies“ zur Verfügung, und hinterließ den Eindruck, das Deutschland mit Joachim Gauck eine beeindruckende Persönlichkeit als elften Bundespräsidenten hatte.
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