Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

(64) Europas Verteidigungsfähigkeit: Realität, Hürden, Perspektiven

„EU und NATO sind wie zwei Gehirnhälften, die nicht genug miteinander kommunizieren“, sagt Dr. Nicole Koenig, Head of Policy der Münchner Sicherheitskonferenz, aber das ändere sich jetzt. Europa ist dabei, sich neu zu sortieren. Seit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus haben sich die USA von ihrer Rolle als sicherheitspolitischer Garant Europas zurückgezogen. Europa muss sich selbst verteidigen können.

Was bedeutet das für einen hoffentlich baldigen Waffenstillstand in der Ukraine, für Europas eigene Verteidigung und für das europäische Sicherheitsgefüge insgesamt? Moderator Dario Weilandt spricht mit Dr. Nicole Koenig darüber, wer denn zur „Koalition der Willigen“ gehören könnte, die die Ukraine maßgeblich unterstützen will – auch mit weniger Unterstützung durch die USA. Zu den 30 Staaten zählen Frankreich, Großbritannien, viele EU-Staaten, aber auch Australien, Kanada und Japan. Zugleich gebe es aber auch Länder, die sagen, sie können nicht dabei sein, denn sie müssen zu sehr auf eigene Verteidigung achten.

Große Fähigkeitslücken sieht Koenig insbesondere in der Luft- und Raketenabwehr. Hier will die NATO ihre Kapazitäten um 400 % steigern. In der Produktion von Munition ist Russland bislang noch deutlich schneller als die NATO. „Russland produziert in drei Monaten so viel wie die ganze Nato in einem Jahr!“

Die Europäische Union hat neue Programme aufgelegt: „ReArm Europe“ und das neue SAFE-Programm („Security Action for Europe“) mit 150 Milliarden Euro für die gemeinsame Rüstungsbeschaffung. Das werde manchen EU-Ländern helfen, aber es sei klar, „der Großteil der Investitionen muss auf nationaler Ebene passieren“. Am Ende sei die Frage, um wie viel werden sich die Nationalstaaten verschulden.

Die Expertin für EU-Außen- und Sicherheitspolitik sagt, es habe in den vergangenen drei Jahren viele „Déjà-vu-Momente“ bei europäischen Veranstaltungen zur Verteidigung gegeben: „Eigentlich wussten alle, was es braucht – größere gemeinsame Beschaffungen, Stückpreise senken, langfristige Verträge, mehr Ressourcen –, aber man hatte das Gefühl, so richtig aufgewacht ist man nicht.“ Seit diesem Jahr beobachte sie jedoch ein höheres Tempo.

Wie sollte die neue deutsche Bundesregierung agieren? Und schafft es die Europäische Union im Bereich Sicherheit und Rüstung mit einer Stimme zu sprechen und dabei ihre demokratischen Werte nach innen und außen zu vertreten?

Auch wenn nicht klar ist, wie sehr und wie schnell sich die USA tatsächlich aus Europa zurückziehen, zwischen strategischer Autonomie Europas – vielleicht sogar „als letzte Bastion der liberalen Demokratie“ – und guten transatlantischen Beziehungen sieht Dr. Nicole Koenig jedenfalls keinen Widerspruch.

Zu Gast:

Dr. Nicole Koenig

Head of Policy, Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)

Nicole Koenig ist Head of Policy der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Zuvor war sie stellvertretende Direktorin des Jacques Delors Centre an der Hertie School. Sie forscht schwerpunktmäßig zur EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Vor ihrer Tätigkeit am Jacques Delors Centre arbeitete sie unter anderem für die Trans European Policy Studies Association in Brüssel, das Istituto Affari Internazionali in Rom, das Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam sowie das Department of War Studies am King's College in London. Sie ist Autorin einer Monografie über das EU-Krisenmanagement sowie einer Vielzahl von Zeitschriftenartikeln, Policy Papers und Medienbeiträgen. Nicole Koenig hat an der Universität zu Köln und der Edinburgh University zum EU-Krisenmanagement in Afrika promoviert. Sie hat ein Diplom der Politik- und Verwaltungswissenschaft von der Universität Konstanz und einen Master in EU-Außenbeziehungen und Diplomatie vom Europakolleg in Brügge.

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Dr. Nicolas Fescharek

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