Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

Europas Gretchenfrage

Nach dem Schock des russischen Angriffs auf die Ukraine sucht der Kontinent eine neue Friedensordnung. Vor allem gilt es, eines zu klären: mit, ohne oder gegen Russland?

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Russlands Überfall auf die Ukraine hat das Grundprinzip der regelbasierten multilateralen Ordnung, wie sie durch die UN-Charta begründet und für Europa in der Charta von Paris präzisiert wurde, aus den Angeln gehoben. Insbesondere der Vertrauensverlust hinsichtlich aller vertraglichen Vereinbarungen und Zusicherungen Moskaus scheint irreparabel. Ist deshalb die Idee einer gemeinsamen europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung endgültig ad acta gelegt – wie es in den zurückliegenden Monaten auch aus Kreisen der Bundesregierung, des Parlaments und der Medien zu hören war? Ist eine konstruktive Zusammenarbeit mit Russland auf Dauer unvorstellbar?

Die Antwort darauf liegt zuallererst in Moskau. Russland muss den Eroberungskrieg stoppen, die souveräne Gleichheit und territoriale Integrität der Ukraine und der anderen Nachbarstaaten anerkennen. Dass der Kreml dazu in absehbarer Zeit bereit ist, bleibt allerdings fraglich. Denn in diesem Krieg geht es nur vordergründig um die Revision geopolitischer und territorialer Veränderungen in Europa seit dem Beginn der 1990er Jahre. Moskaus Eliten träumen von der Wiederherstellung imperialer Dominanz in Europa, sehen sich in einer Art „letztem Gefecht“ gegen eine von den USA vorangetriebene liberale Weltordnung und wähnen sich als Opfer des Westens. Sergej Karaganov, Berater aller Moskauer Regierungen seit Boris Jelzin, drückt es so aus: „Dieser Krieg ist eine Art Stellvertreterkrieg zwischen dem Westen und dem Rest der Welt – Russland ist, wie es in der Geschichte oft der Fall war, die Spitze ‚des Rests‘ – für eine zukünftige Weltordnung. Der Einsatz der russischen Elite ist sehr hoch – für sie ist es ein existenzieller Krieg.“

Zurück zur alten Größe

Tatsächlich bedient sich Putin spätestens seit dem Beginn seiner zweiten Präsidentschaft im Jahre 2012 ganz offen kulturalistischer Anleihen bei der Betrachtung russischer Geschichte zur Begründung seiner angeblich „heiligen Mission“ (Katja Gloger), Russland zur alten Größe der Sowjetunion zurückzuführen. Die Berufung auf das Erbe des Krieges gegen NaziDeutschland, in dessen Folge Moskau 

die Kontrolle über weite Teile Osteuropas erlangte, kommt dabei nicht von ungefähr. Abgesehen von der kurzen Periode Michail Gorbatschows zwischen 1985 und 1991 wurde der Herrschaftsanspruch Russlands im östlichen Europa seit 1939 nie wirklich aufgegeben. So griffen selbst die im Westen als liberal angesehenen Politiker Boris Jelzin und dessen Außenminister Andrei Kosyrew schon 1993 die Formel vom „nahen Ausland“ auf, wonach Russlands Interessen „eine Stationierung von Truppen und militärischer Ausrüstung außerhalb des Territoriums der Russischen Föderation“ erforderlich machen könnten.

Moskau sah die NATO seit dem Rückzug seiner Truppen aus den früheren Warschauer-Pakt-Staaten durch das Versprechen gebunden, eigene militärische Strukturen nicht dauerhaft auszudehnen. Daraus leitete man das Recht für sich selbst ab, den betreffenden Ländern den Zutritt zu diesen Strukturen zu verwehren. Formal wurde zwar mit der Unterzeichnung der NATO-Russland-Grundakte am 27. Mai 1997 das „naturgegebene Recht“ aller Staaten anerkannt, „die Mittel zur Gewährleistung ihrer eigenen Sicherheit sowie der Unverletzlichkeit von Grenzen und des Selbstbestimmungsrechts der Völker selbst zu wählen“. Doch obgleich dadurch faktisch ein Vetorecht gegen die Beitrittswünsche dritter Staaten zur NATO und EU verneint wurde, hatte sich Moskau offenbar herausgehobene Mitspracherechte auf Augenhöhe mit den USA ausgerechnet.

Die Erwartungen sollten sich nicht erfüllen. Seit Barack Obama nach der Annexion der Krim im Jahre 2014 von Russland als einer bloßen „Regionalmacht“ sprach, verlegte sich die russische Führung offen auf den Ausbau ihres militärischen Potenzials, einschließlich waffentechnischer Neuentwicklungen und der Stationierung neuer Raketen, die den INF-Vertrag als wichtigsten Pfeiler nuklearer Rüstungskontrolle in Europa zu Fall brachten.

Aus der Sicht der Kreml-Führung war und ist die Unterschrift Boris Jelzins unter die Grundakte ein historischer Fehler, der korrigiert werden müsse, indem die NATO-Erweiterung umzukehren sei. Nur aus dieser Lesart lässt sich nachvollziehen, warum der Kreml in seinem Forderungskatalog an die USA und NATO im Dezember 2021 die Rückkehr der Allianz zum Status quo noch vor das Jahr 1997 – also vor die erste Erweiterungsrunde – forderte.

Moskau sah sich befugt, bestimmten Ländern den Zutritt zu NATO-Strukturen zu verwehren

Stets strebte Moskau nach fortdauerndem Einfluss auf ehemals kontrollierte Staaten, deren legitime Interessen man ignorierte und deren Beitrittswünsche zu NATO und EU man als vom Westen orchestriert und gegen die Interessen Russlands gerichtet betrachtete. „Jede abweichende Meinung“, sagt der Politologe Thomas Meyer, konnte und kann aus dieser Sicht nichts anderes sein als „ein Angriff der ‚Fünften Kolonne‘“, mit der Folge eines brutalen Freund-Feind-Denkens.

Für Dmitri Trenin, einen Kenner der russischen Außen- und Militärpolitik, geht es dem Kreml nicht um die Rückkehr zur vormaligen Ordnung „zu günstigeren Bedingungen“, sondern um die „Bildung einer neuen Weltordnung“ – und zwar „zusammen mit nichtwestlichen Ländern“. Der gegen die Ukraine angestrebte „strategische Erfolg“ sei nur ein „erster Schritt“.

Rhetorik und Politik Russlands lassen am Ziel einer revisionistischen Korrektur der europäischen Landkarte kaum Zweifel. Das Werben um Mitstreiter wie China, Indien und Südafrika zeugt vielmehr von einer globalen Agenda. Das heißt im Umkehrschluss, dass es kein Zurück zu einer regelbasierten multilateralen Friedensordnung mit Russland geben wird, solange es Moskau auf ein Gegenmodell zu einer solchen Ordnung abgesehen hat.

Das rückt die Frage nach der Verlässlichkeit der noch bestehenden Institutionen, Régime und Regeln in den Fokus. Friedensordnungen dürften auf lange Sicht nur als regionale Projekte wie die EU existieren – auf der Basis überwiegend geteilter Werte. Daneben dürften sich Kartelle bilden, innerhalb derer Führungsmächte abhängige Partner dominieren. An die Stelle einer multilateralen regelbasierten Weltordnung tritt eine multipolare Ordnung mit unterschiedlicher Regelungsdichte und wechselseitiger Konkurrenz.

Eine Friedensordnung mit Moskau scheint nicht möglich, eine kooperative Sicherheitsordnung schon

Die düsteren Aussichten für eine gemeinsame Friedensordnung in Europa mit Russland schließen die Möglichkeit und die Notwendigkeit nicht aus, an einer kooperativen Sicherheitsordnung zu arbeiten. Auch Moskau kann die globalen Dynamiken der Moderne nicht ganz außer Kraft setzen, ohne die eigenen Interessen aufs Spiel zu setzen. Regeln für das Zusammenleben der Staaten und Völker werden in der modernen Staatenwelt unerlässlich bleiben; die wechselseitigen Verflechtungen sind nicht ohne Weiteres aufzulösen.

Die Gefahr aber ist groß, dass sich künftig auch andere Mächte veranlasst sehen, Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen zu erachten und multilaterale Regeln nur zu akzeptieren, wenn sie diesem Ziel dienlich sind. Abmachungen werden folglich nur zu erreichen sein, wenn sich Interessen zumindest partikular überschneiden.

Zwietracht im Westen säen

Derzeit ist die Antwort auf die Frage, ob es eine Friedensordnung ohne und gegen Russland geben kann, leider ebenso einfach wie ernüchternd. Die Ordnung der Charta von Paris ist bis auf die Grundmauern zerstört, das Vertrauen in eine Sicherheitskooperation mit Russland dahin. Moskau seinerseits hat, so scheint es, kein Interesse an einer Ordnung, deren Regeln es nicht selbst bestimmen kann und die es als Gefahr für den Fortbestand des eigenen politischen Systems betrachtet. Was bleibt, ist das Ziel eines möglichst krisenstabilen Sicherheitssystems, gestützt auf die Realität „unverrückbarer“ (Egon Bahr) Nachbarschaft. Ein Mindestmaß an Sicherheitsvorsorge gegen ein kriegsbereites Russland erfordert kollektive politische Entschlossenheit und die Fähigkeit, jeden Angriffsversuch abzuwehren.

Dafür bedarf es der Stärkung der kollektiven Resilienz der demokratischen Staaten Europas. Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine war laut Sergej Karaganov von der Erwartung begleitet, dass weder Europa sich auf eine Sanktionsfront gegen Russland einigen würde, noch die USA aus Sorge, in einen Atomkrieg verwickelt zu werden, ernsthaft bereit wären, den europäischen Staaten bei der Verteidigung militärischen Beistand zu leisten.

Moskaus auf diese Erwartung gestützte Strategie, Zwietracht im westlichen Bündnis zu säen, ist nicht im erhofften Maße aufgegangen, sie ist aber auch nicht vollends gescheitert, wie die schwierigen Diskussionen über die Sanktionspakete belegen. Revisionistische Ambitionen Russlands werden auf Dauer nur scheitern, wenn die kollektive Handlungsbereitschaft und ‑fähigkeit der Europäischen Union deutlich verstärkt und die euro-atlantische Sicherheit mit den USA und Kanada strukturell enger als bisher verzahnt werden.

Hierfür bedarf es der überfälligen Vergemeinschaftung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), einschließlich der Einführung von Regeln für die Anwendung qualifizierter Mehrheitsentscheidungen im Krisenfall. Dazu müssten zwar die Europäischen Verträge geändert werden, aber die Alternative bestünde in anhaltender Krisenunfähigkeit und Anfälligkeit gegen Spaltungsversuche von außen.

Vor allem das Prinzip einzelstaatlicher Entscheidungen über die Aufstellung und den Einsatz multinationaler Kampftruppen scheint aus der Zeit gefallen. Das gilt auch für das im Strategischen Kompass der EU für 2025 terminierte Vorhaben einer gemeinsamen Eingreiftruppe. Die Truppe kommt zu spät und ist mit der geplanten Personalstärke von 5000 zu klein dimensioniert. Ganz zu schweigen von der angekündigten, aber realitätsfernen Vorgabe, Beschaffungsprogramme der Mitgliedstaaten miteinander zu harmonisieren und Verteidigungshaushalte aufeinander abzustimmen. Solange eine Vergemeinschaftung der GSVP nicht gewollt und angestrebt wird, existiert das Ziel eigenständiger kollektiver Sicherheit Europas ebenso nur auf dem Papier wie die „strategische Autonomie“ Europas.

Daher sollte es in der Abstimmung mit den USA und anderen demokratischen Staaten um eine engere Kooperation und die strategische Integration kollektiver Fähigkeiten gegen ein autoritäres Régime gehen, das im Bündnis mit anderen Staaten zu einem globalen Feldzug gegen die liberale Demokratie aufgerufen hat und dem weder die USA noch Europa im Alleingang erfolgreich begegnen können. Wird Konvergenz zwischen Demokratie und Autokratie ausgeschlossen, bleibt die Abgrenzung der Systeme voneinander vorläufig die einzige vertretbare Lösung gegen die Gefahr eines bewaffneten Großkonflikts. Das bedeutet, sich auf den Ernstfall der Verteidigung gegen weitere Aggressionen Russlands einzustellen.

Verteidigungsfähigkeit allein bringt allerdings keine Sicherheit. Die Madrider NATO-Beschlüsse vom Juni 2022 bieten eine entschlossene, auf viele Jahre ausgelegte militärische Antwort auf die von Russland ausgehende Bedrohung. Eine ähnlich vorausschauende Dialog- und mögliche Kooperationsperspektive bietet das neue Strategische Konzept gegenwärtig nicht.

Nichtkooperative Sicherheitssysteme sind per se instabil, da die Intentionen der anderen Seite nicht transparent und die jeweiligen militärischen Fähigkeiten nicht durch Rüstungskontrolle ausbalanciert sind. Eine Rückbesinnung auf die Stabilitätsmechanismen des Ost-West-Konflikts reicht nicht aus. Russland führt gegen Europa und die USA seit Längerem einen „heißen“ hybriden Krieg. Das einst enge Geflecht nuklearer und konventioneller Rüstungskontrolle ist bis auf wenige Ausnahmen zerrissen, vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen sind praktisch außer Kraft gesetzt. Die technischen Schwellen zwischen atomarer und konventioneller Kriegführung sind aufgeweicht.

Auch sind die Handlungsabläufe operativer militärischer Entscheidungen inzwischen weitgehend automatisiert. Dank der Fähigkeiten zur Abstandskriegsführung ist es möglich, Angriffe auf vitale Infrastrukturen in großer Entfernung zu starten, ohne erhebliche Eigenverluste durch großflächige Landnahme zu riskieren. Weitere Staaten sind zudem in den Besitz von Atomwaffen gelangt oder stehen wie der Iran an der Schwelle dazu. Kurz: Die Sicherungsmechanismen des Kalten Krieges sind stark geschwächt oder verloren.

Weder verhindert Abschreckung weiteres Wettrüsten, noch garantiert sie Stabilität im Krisenfall

Alle Abschreckungssysteme gehen davon aus, dass Staaten auf das Mittel des Krieges verzichten, wenn sie befürchten, dabei inakzeptable Schäden zu erleiden. Weder aber verhindert Abschreckung weiteres Wettrüsten, noch garantiert sie, wie sich zeigt, Stabilität im Krisenfall. Beides ist nur durch ein Mindestmaß an begleitender Zusammenarbeit zu erreichen.

Im Gespräch bleiben, trotz allem

Die Ost- und Entspannungspolitik der 1970er und 1980er Jahre beruhte auf der Überzeugung, dass Sicherheit im Nuklearzeitalter nur gemeinsam zu haben ist. Moskau hat diesen Konsens mit seinem Kriegskurs gesprengt, doch das globale Vernichtungsrisiko durch einen Atomkrieg bleibt bestehen. Wird Russland bereit sein, sich auf eine Anerkennung kooperativer Regeln zu besinnen und neue Abmachungen zu schließen? Wie verlässlich wären künftige Zusicherungen, wenn schon die vergangenen gebrochen wurden?

Keine dieser Fragen kann heute mit Gewissheit beantwortet werden. Um Ansatzpunkte zu finden, müssen wir die strategischen Interessen Russlands besser verstehen. Dabei ist nüchterner Realismus gefordert, nicht Wunschdenken. Die Interessen der russischen Führungseliten lesen sich wie folgt: dauerhaft gesicherter Machterhalt, Wiedererlangung der sowjetischen Einflusssphären, globale Allianzbildung gegen die Ausbreitung von liberaler Demokratie, Bildung eines Kondominiums mit gleichgesinnten Mächten, vor allem mit China, sowie die Schaffung eines Arsenals überlegener militärischer Mittel zur Unterstützung strategischer Ziele.

Die Aussichten auf Kooperation sind vor diesem Hintergrund nicht gut. Hinzu kommen Vorbehalte, mit einer Führung zu verhandeln, die sich zahlloser Kriegsverbrechen schuldig gemacht hat. Solange Russland aber als Kooperationspartner für die Lösung bestimmter Fragen unverzichtbar ist, sind Abmachungen auch mit der aktuellen russischen Führung unverzichtbar. Das betrifft in erster Linie die Rolle Russlands als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat, aber auch seine Mitwirkung an zwischenstaatlichen Vereinbarungen (allein schon zur Einstellung der Kampfhandlungen in der Ukraine) sowie alle internationalen Abkommen, die durch Russland ratifiziert worden sind, oder Régime, denen es weiterhin als Partnerstaat angehört.

Moskau sollte trotz manifesten Völkerrechtsbruchs nicht – wie vielfach gefordert – aus weiteren Abkommen oder Regimen ausgeschlossen werden. Das böte dem Kreml nur eine Handhabe, sich an vereinbarte Regeln nicht mehr halten zu müssen. Es wird auszuloten sein, welche Regeln für die Bearbeitung globaler Probleme vereinbart werden können, die auch in Russlands Interesse liegen, etwa bei der Vermeidung eines unabsichtlichen Atomkriegs, der atomaren Nichtverbreitung und strategischen Rüstungskontrolle, beim Kampf gegen den Klimawandel sowie bei der Erschließung des Weltraums und des Meeresbodens.

Im Sicherheitsbereich sind kooperative Lösungen allenfalls niedrigschwellig zu erwarten – neben einer effektiven Kommunikation zwischen den politischen und militärischen Führungen zur Vermeidung eines unbeabsichtigten Krieges sind das vor allem transparente Vorkehrungen gegen technisches Versagen und Fehlperzeptionen. Die NATO sollte Moskau für diesen Zweck die Belebung des NATO-Russland-Rates anbieten. Zusätzlich könnten die vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – wie die Transparenzregeln des „Wiener Dokuments“ und das Krisenverhütungszentrum – dafür optimiert werden.

Auch das System Putin besitzt keine Bestandsgarantie auf Dauer

Bei allen Überlegungen sollte nicht vergessen werden: Das System Putin ist nicht mit Russland gleichzusetzen. Es gab in der Vergangenheit auch in Russland Anhänger einer stabilitätsorientierten Politik, und es gibt eine Protestbewegung gegen Putin, auch wenn ihre Vertreter zum Teil weggesperrt oder umgebracht wurden oder geflohen sind. Kein autoritäres System besitzt eine Bestandsgarantie auf Dauer. Das „ultimative Ende“ der Beziehungen mit Russland zu verlangen, zeugt weder von strategischer Weitsicht noch von politischer Klugheit. Vielmehr sollten Bedingungen formuliert werden, deren Erfüllung es Moskau ermöglichen würde, ein konstruktiver Teil einer kooperativen europäischen Sicherheitsordnung zu sein. Die Grundregel der Ostpolitik Willy Brandts und Egon Bahrs, in Rechnung zu stellen, was ist, um zu verändern, was verändert werden kann, sollte auch für das komplizierte Verhältnis zu Russland beachtet werden.

Ein Beitrag von:

Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Gießmann

Geschäftsführer (2008-2019) der Berghof Foundation; Politikwissenschaftler

Hans Joachim Giessmann ist Direktor Emeritus der Berghof Foundation und Associate Professor an der Universität Hamburg. Von 2008 bis 2019 war er Executive Director der Berghof Foundation. Zuvor war er stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. Von 2009 bis 2014 war er Mitglied des Global Advisory Council for Terrorism des Weltwirtschaftsforums und von 2011 bis 2012 Vorsitzender des Rates.
Seit 2014 unterstützt er den afghanischen Friedensprozess, derzeit mit Schwerpunkt auf den Verhandlungen in Doha zwischen den Delegationen der Islamischen Republik Afghanistan und der Taliban-Bewegung. Darüber hinaus unterstützt er die Bemühungen nationaler Akteure um die Wiederherstellung des Friedens und die Etablierung eines Nationalen Dialogprozesses in Äthiopien.
Als Autor, Herausgeber oder Mitherausgeber hat er 35 Bücher und mehr als 300 wissenschaftliche Artikel mit Übersetzungen in mehr als 10 Sprachen veröffentlicht. Er ist weltweit in den Medien präsent, in den USA zum Beispiel bei CNN, ABC NBC, NPR, Washington Post und der Los Angeles Times. Hans J. Giessmann ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Atlantischen Gesellschaft.

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