Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

Das Problem mit hybrider Kriegsführung

Ausgabe 23: David Frank

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Grüne Männchen auf der Krim, ein Hacker-Angriff auf den Bundestag, Streuung von Desinformationen, Erpressung durch Flüchtlingsströme und die Zerstörung einer Gas-Pipeline. Diese Ereignisse werden immer wieder der hybriden Kriegsführung Russlands zugerechnet. Zunächst fand man den Begriff des „hybriden Krieges“ nur in sicherheitspolitischen und militärischen Kreisen. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist der hybride Krieg nicht länger ein Nischenkonzept, sondern beschäftigt die Menschen in der breiten Öffentlichkeit. Ein Blick in die Definition und in die Geschichte offenbart jedoch ein Problem mit diesem breit gefassten Konzept.

Hybride Kriegsführung wird allgemein als Zusammenspiel von offenen und verdeckten, regulären und irregulären, symmetrischen und asymmetrischen sowie militärischen und nicht-militärischen Konfliktmitteln beschrieben. Das Ziel soll sein, dass man unterhalb der völkerrechtlichen Schwelle eines Kriegszustandes bleibt, jedoch trotzdem die Destabilisierung eines Staates inklusive dessen Institutionen und Bevölkerung erreicht.

Gefährliche Pauschalisierung

Das offensichtliche Problem der Definition ist, dass sie so allumfassend ist, dass man ihr alle zwischenstaatlichen Handlungen zuordnen kann. Der Zweck dahinter ist fragwürdig, da man so in eine sicherheitspolitische Spirale gerät, in der alles ein Konfliktpotential und eine mögliche Eskalation beinhaltet. Wie können wir uns noch sicher fühlen, wenn alles unsere Sicherheit bedroht? Es steht außer Frage, dass seit dem russischen Überfall auf die Ukraine Deutschland, Europa und der Westen zahlreichen und neuen Sicherheitsbedrohungen ausgesetzt sind. Eine Pauschalisierung der vielfältigen Bedrohungen auf das umstrittene Konzept der hybriden Kriegführung ist dabei allerdings nicht zielführend.

Der Vorteil, unterhalb der Schwelle eines völkerrechtlichen Kriegs zu agieren, ist, dass mit wenig Ressourcen die Stabilität eines Staates beeinflusst werden kann. Idealerweise sind die darauffolgenden Konsequenzen auf gleichem Niveau und sorgen nicht für eine Eskalation bis hin zu einem Krieg. Konfliktmittel wie Sabotage, Manipulation und Desinformation, können zwar großen Einfluss erzielen, aber bleiben in ihrer Wirkung begrenzt. Russland war es nicht möglich, die Ukraine vollständig zu destabilisieren und es konnte die Annäherungsversuche der Ukraine an die EU und die NATO nicht verhindern. Der russische Überfall auf die Ukraine am 24.02.2022 markiert einen Wendepunkt in der russischen Strategie. Der überwiegend konventionelle Versuch, die Ukraine einzunehmen, passt nur noch bedingt in das Konzept der hybriden Kriegsführung. Es ist daher fraglich, ob man weiterhin von einer russischen hybriden Kriegsführung in der Ukraine sprechen kann.

Es handelt sich bei der hybriden Kriegsführung um kein gänzlich neues Konzept. Der Begriff „Hybrid Warfare“ wurde als erstes von dem US-Militärtheoretiker Frank G. Hoffman im Jahr 2005 verwendet. Es gab darüber hinaus in der Vergangenheit etliche Konzepte, die versucht haben, ein ähnliches Phänomen zu beschreiben. Diese Konzepte sind unter anderem Asymmetric Warfare, New Generation Warfare, Irregular Warfare und Political Warfare.

Sabotageakte sind so alt wie der Krieg selbst

Die Gemeinsamkeit der Konzepte besteht allgemein darin, dass sie beschreiben, wie insbesondere Sabotage, Manipulation und Desinformationen genutzt werden, um einen entscheidenden Vorteil gegenüber einem Gegner zu erlangen. Das Ergebnis kann, muss aber nicht, ein konventioneller Krieg sein. Aus einer historischen Perspektive sind Sabotageakte vermutlich genauso alt wie der Krieg selbst. Was sich im Vergleich zu damals geändert hat, sind die technischen Möglichkeiten, um Sabotage zu begehen. Das Ziel, also eine Destabilisierung von Staat, Institutionen und Bevölkerung, bleibt gleich. Der hybride Krieg ist somit keine neue Erscheinung, sondern lediglich ein neuer Trendbegriff.

Die Verwendung des Begriffs „hybrider Krieg“ ist folglich nicht nur in den Medien und in der Politik zu beobachten. Insbesondere in den Bereichen der kritischen Infrastruktur und der Cybersicherheit wird darauf verwiesen. Das Konzept bietet die Möglichkeit, alle Sicherheitsbedenken einer allumfassenden Strategie eines Akteurs zuzuordnen. Die damit einhergehende Pauschalisierung, dass alles dem hybriden Krieg zugeordnet werden kann, sorgt aber für wenig Betroffenheit in der Bevölkerung, da es kein allgemeines Verständnis für das Konzept gibt. 

Es ist zielführender, die Gefahren, denen man ausgesetzt ist, direkt und konkret anzusprechen. So sind zum Beispiel die Zerstörung von Infrastruktur zur Versorgung von Wasser, Strom, Lebensmitteln und der Gesundheitsversorgung, sowie Cyber-Angriffe real, greifbar und haben Auswirkung auf das tägliche Leben. Damit schafft man Betroffenheit und in der Folge Verständnis für kommende Mehrausgaben und Investitionen in diesen Bereichen. Es ist also auch eine Frage des Framings, wie man die russischen Konfliktmittel in einen Kontext setzt, um so beispielsweise Sensibilisierung zu erzeugen.

Den Trendbegriff überwinden

Es ist nicht zu erwarten, dass der Begriff des hybriden Kriegs aus dem Diskurs rund um Russlands Kriegsführung verschwinden wird. Dennoch sollte man versuchen, den Trendbegriff zu überwinden und die direkten Gefahren, von denen wir alle betroffen sind, klar zu benennen. Wir benötigen Resilienz in der kritischen Infrastruktur und im Cyberraum, sowie eine gut ausgestattete Bundeswehr, um den sicherheitspolitischen Herausforderungen gewachsen zu sein. Diese teuren, aber notwendigen Maßnahmen müssen verständlich kommuniziert werden, denn zur Resilienz gehört auch, mündige und gut informierte Bürger zu haben, die die richtigen Entscheidungen treffen.

Ein Beitrag von:

David Frank

IT Projektmanagement Offizier in Koblenz, Junge DAG (YATA Germany)

David Frank ist Mitglied der Jungen DAG (Deutschen Atlantischen Gesellschaft) und seit 2015 in der Offizierslaufbahn der Bundeswehr. Nach den Ausbildungsanteilen in Hammelburg (OA-Btl) und Dresden (OSH) hat er ein Studium in Internationales Recht und Politik an der Bundeswehr Universität in München abgeschlossen. In seiner Master-Arbeit hat er sich intensiv mit Hybrider Kriegsführung und Europäischer Sicherheitspolitik auseinandergesetzt. Es folgte die Ausbildung zum IT-Truppenoffizier (OL 3 in Pöcking) und seine jetzige Verwendung als IT-Projektmanagement Offizier im Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr in Koblenz.

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