Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

Zwei Seiten derselben Medaille – Warum Sicherheitspolitik nicht ohne Entwicklungspolitik gedacht werden kann

Ausgabe 47: Bundesministerin Svenja Schulze

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Sicherheitspolitik in der Sahel-Region, da denken die meisten an Blauhelmsoldat*innen, militärische Ausbildungsmissionen, Aufklärungsdrohnen im Wüstengebiet, Kampf- und Transporthubschrauber. Doch dieses Bild ist unvollständig. Es fehlen: Gemüseanbau, Wasserleitungen, Schulen.

Zur nachhaltigen Eindämmung von Krisen und Konflikten braucht es mehr als ausschließlich militärische Antworten – zuletzt haben wir das in Mali gesehen. Sicherheit ist nicht nur die Abwesenheit von bewaffneten Konflikten oder Gefahr. Sicherheit umfasst auch wirtschaftliche und politische Stabilität, soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Menschenrechte. Sicherheit bedeutet, dass die Menschen die Möglichkeit haben, ein Leben ohne Hunger, ohne Armut zu führen, selbstbestimmt und in einer demokratischen Gesellschaft zu leben, mit gleichen Rechten für alle.

Entwicklungspolitik trägt direkt dazu bei, diese verschiedenen Dimensionen der Sicherheit zu stärken. Sie ist deshalb wichtiger Bestandteil der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. In der Sahel-Region wird die menschliche Sicherheit zum Beispiel durch Projekte zu klimaresistenten Anbaumethoden gefördert, die bei Dürren weniger anfällig sind. Sie ermöglichen Landwirt*innen, ihre Gemüseproduktion zu verbessern. Indem sie ihre Ernten optimieren ohne die Böden auszulaugen, sichern sie nicht nur die Versorgung ihrer Familie, sondern können zusätzlich Arbeitsplätze schaffen. Das kurbelt die Landwirtschaft an und trägt direkt zur Ernährungssicherheit bei. Gleichzeitig trotzen sie damit der Perspektivlosigkeit, und verringern so die Erfolgschancen von Terroristen, neue Anhänger zu rekrutieren. Denn wer sich dort Terrorgruppen anschließt, tut das meist nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil es häufig die einzige Einnahmequelle ist.

Natürlich lässt sich Terror nicht mit Gemüseanbau bekämpfen. Natürlich sorgt Entwicklungspolitik nicht allein für Sicherheit. Aber: Es geht nicht ohne sie. Die Menschen brauchen ein Einkommen, sie brauchen eine Perspektive.

Militärische und menschliche Sicherheit gehören zusammen

Ein entwicklungspolitischer Ansatz setzt an den strukturellen Ursachen von Konflikten und Unsicherheiten an: Investitionen in Bildung, Gesundheitswesen, Infrastruktur und Wirtschaft drängen Hunger und Armut zurück, verbessern die Lebensbedingungen der Menschen und verringern so das Risiko von Konflikten. Entwicklungspolitik trägt außerdem dazu bei, die Resilienz von Menschen und Gesellschaften gegenüber Naturkatastrophen und anderen humanitären Krisen zu stärken. Zum Beispiel indem sie durch soziale Sicherung die finanziellen Auswirkungen von Katastrophen abmildert. Das wiederum stärkt auch die soziale Gerechtigkeit, reduziert Spannungen – und schafft damit die Voraussetzungen für langfristige Stabilität.

Für das Engagement in der Sahel-Region und in den umliegenden Länder heißt das: Es muss gelingen, die Grundversorgung für die Bevölkerung langfristig sicherzustellen und den Menschen Perspektiven zu bieten, durch Bildung und Jobs. Damit sich Krisen und Terror nicht weiter ausbreiten, damit nicht noch mehr Menschen fliehen müssen – denn das hätte gravierende Auswirkungen für die gesamte Region. Und damit auch für Deutschland.

Deutschland ist auf stabile Länder in der Nachbarschaft angewiesen, auch auf dem afrikanischen Kontinent. Wir brauchen verlässliche Partnerschaften in der Welt, weil die deutsche Volkswirtschaft jeden zweiten Euro mit dem Export verdient. Um unseren Wohlstand zu halten und die starke Wirtschaftsnation zu bleiben, die wir sind, sind wir auf Rohstoffe, funktionierende Lieferketten, stabile Absatzmärkte und Fachkräfte aus anderen Ländern angewiesen. Deshalb ist es wichtig, dass sich Krisen in der Welt nicht weiter ausbreiten. Dass wir zusammen mit unseren Partner*innen verhindern, dass weitere Regionen destabilisiert werden und Menschen wegen Hunger, Armut und Terror ihre Heimat verlassen müssen. Dazu braucht es beides: militärisches und entwicklungspolitisches Engagement.

Mit besseren Angeboten auf der sicheren Seite

Die Sicherheit Deutschlands, der EU und der transatlantischen Partnerinnen hängt auch davon ab, ob es uns gelingt, relevante Player im internationalen Gefüge zu bleiben. Nur dann können wir uns effektiv für unsere Werte und Interessen einsetzen und antidemokratischen Tendenzen etwas entgegensetzen. Akteuren wie Russland oder China dürfen wir nicht das Feld überlassen. Das gilt insbesondere auch für die Sahel-Region, denn sie ist Drehkreuz für Migrantinnen und auch mit Blick auf Rohstoffe wichtig. Wir müssen verhindern, dass Russland Europa – durch seinen Einfluss im Sahel – unter Druck setzen kann, indem es Menschen auf der Flucht als Waffe einsetzt oder Rohstofflieferungen aus Afrika kontrolliert. Deshalb bleibt Deutschland im Sahel entwicklungspolitisch engagiert.

Die Länder im Sahel – genauso wie viele andere Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika – können sich ihre internationalen Partner*innen inzwischen aussuchen. Um global mitgestalten zu können, müssen wir deshalb die besseren Angebote in der internationalen Zusammenarbeit machen. Angebote, von denen alle langfristig profitieren und die keine neuen Abhängigkeiten schaffen. Die deutsche Entwicklungspolitik macht genau das. Dabei kommt es auch auf unsere Haltung an. Gefragt sind weniger Zeigefinger und mehr ausgestreckte Hand. Gefragt ist eine Beziehung, die die Bedürfnisse, Interessen und Werte aller Seiten berücksichtigt.

Entwicklungspolitik ist nachhaltige Sicherheitspolitik

Die großen sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit sind grenzüberschreitend: Extremismus und Terrorismus, Klimakrise und Ressourcenkonflikte, Flucht und Migration. Sie können wir nur mit mehr, nicht mit weniger Zusammenarbeit wirkungsvoll angehen.

Um langfristige Stabilität, Frieden und Wohlstand – kurz: menschliche Sicherheit – zu ermöglichen, muss ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der die Ursachen von Konflikten und Unsicherheit verringert. Deshalb sagt die Bundesregierung: Entwicklungspolitik ist nachhaltige Sicherheitspolitik.

Ein Beitrag von:

Svenja Schulze

Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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Dr. Nicolas Fescharek

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