Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

(56) Ohne Perspektive? Israel und die Palästinenser

„Es ist der Versuch, Europa mit ins Spiel zu bringen“, sagt Werner Sonne zum Vorschlag von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, eine EU-Kontrollmission am Grenzübergang zwischen Gaza und Ägypten wieder aufzunehmen: „Das kann man durchaus für einen guten Versuch halten“.

Es ist ein Aspekt der großen Frage: „Wie geht es weiter mit dem Gaza-Streifen?“ Und die wiederum ist ein Aspekt der noch größeren Frage: „Wie soll es überhaupt weitergehen mit der Palästinenserfrage?“

Dass mit Norwegen, Spanien und Irland nun neuerdings insgesamt 146 Staaten Palästina als eigenständigen Staat anerkennen, bewertet der langjährige ARD-Korrespondent als „weiteren symbolischen Versuch, Israel in die Enge zu treiben und endlich eine Lösung zu finden“. Doch auch hinter diesem Versuch stünden weitere Fragen: „Welcher Staat soll denn anerkannt werden? Wie soll er aussehen? Aus welchen Gebieten soll er bestehen?“

Werner Sonne erläutert im Gespräch mit Moderator Oliver Weilandt viele der komplexen Zusammenhänge im Nah-Ost-Konflikt – allgemein und insbesondere in Bezug auf die gegenwärtige Situation nach dem Überfall von Terrorkommandos der Hamas auf israelische Zivilistinnen und Zivilisten am 7. Oktober 2023 mit grauenvollen Massakern an der Zivilbevölkerung, mehr als 240 entführten Menschen und den darauf folgenden Angriffen Israels auf Gaza mit dem Ziel, die Hamas zu vernichten und die Geiseln zu befreien. Zahlreiche wiederum zivile Opfer in Gaza führen seitdem zu einem Widerspruch zwischen humanitärem und militärischem Völkerrecht.

Innenpolitisch stelle sich für Israel die Frage, ob und wie lange die ultrarechte Regierung Netanjahus an der Macht bleibt. Längst droht der größte innenpolitische Gegner des israelischen Ministerpräsidenten, Oppositionsführer Benny Gantz, mit Rücktritt aus dem sogenannten Kriegskabinett, wenn der Ministerpräsident nicht bald eine Perspektive für die Zukunft Gazas formuliert.

Immerhin: An der diplomatischen Front gebe es jetzt etwas Bewegung, sagt Werner Sonne, dennoch sei die Palästinenserfrage sei derzeit besonders schwer zu beantworten. Während er einer Ein-Staaten-Lösung aus demografischen Gründen gar keine Chancen einräumt, bleibe die seit Jahrzehnten auch von westlichen Staaten angestrebte Zwei-Staaten-Lösung grundsätzlich eine Option; allerdings nicht in der unmittelbaren Zukunft: zum einen, weil völlig offen sei, wer in einem palästinensischen Staat die Führung übernehmen könnte und zum anderen wegen der derzeitigen israelischen Regierung:

„Wir haben drei Spieler, die nicht wollen oder nicht können oder nicht infrage kommen“. Deshalb sei eine Zwei-Staaten-Lösung „zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Illusion“. Das sehe auch die deutsche Bundesregierung so.

Die wiederum – wie generell „wir Deutschen“ –, so Sonne, „habe eine besondere Verantwortung gegenüber dem Staat der Juden“, die sich aus dem Holocaust ergebe. Diese besondere Beziehung beschreibt er auch in seinem gerade im Verlag C. H. Beck erschienen Buch „Israel und Wir“. Auch in Zeiten, in denen Israels Ansehen zunehmend unter Druck gerät und das Land weniger weltweite Unterstützung erhält, ergebe sich aus dieser Verantwortung stets der Einsatz für das Existenzrecht Israels. Mit Blick auf die antisemitischen Ausschreitungen im Rahmen der Besetzung der Humboldt-Universität zu Berlin folge aus der erstmals von der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel so genannten »Deutschen Staatsräson«, dass Antisemitismus in Deutschland keinen Platz haben darf.

Zu Gast:

Werner Sonne

Journalist und Autor

Werner Sonne begann seine Karriere 1964 als Zeitungsredakteur und Reporter beim Kölner Stadtanzeiger. Im Anschluss daran arbeitete er für United Press International (UPI) in Bonn, bevor er zwischen 1968 und 1981 dreizehn Jahre lang als Korrespondent für den WDR in Bonn und Washington tätig war. Im Jahr 1982 wurde Sonne Stellvertretender Chefredakteur der Landesprogramme im WDR-Fernsehen in Köln. Nach 1984 war er zwanzig Jahre lang als Korrespondent der ARD in Warschau, Bonn, Washington und zuletzt in Berlin tätig. Von 2004 bis 2012 war er Berliner Studioleiter des ARD-Morgenmagazins.

Moderation:

Oliver Weilandt

Geschäftsführer der Hörfunkagentur »Internationaler Audiodienst (iad)«

Oliver Weilandt moderiert den »Atlantic Talk Podcast« der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. Der Agenturleiter und Autor zahlreicher Radiofeature und politischer Hintergrundberichte auf den Wellen der ARD sowie in den Programmen des Deutschlandradios verantwortet unter anderem auch das Privatfunkprogramm der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

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