Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

Wintervortrag mit Prof. Dr. Sönke Neitzel

Die doppelte Ambivalenz – Anmerkungen zur Geschichte der Bundeswehr 1955–2020

Die Deutsche Atlantische Gesellschaft (DAG), Regionalkreis Niederrhein hatte in Kooperation mit dem Zentrum Luftoperationen zum Wintervortrag in das Collegium Augustinianum Gaesdonck eingeladen.

Prof. Dr. Sönke Neitzel war als Referent gewonnen worden, um die Geschichte der Bundeswehr von ihrer Gründung bis heute zu beleuchten.

Dr. Markus Oberdörster, Schulleiter der Gaesdonck, freute sich ca. 400 Gäste, unter ihnen viele Schüler aus dem eigenen Haus und dem benachbarten Gymnasium in Goch begrüßen zu können. Die Gaesdonck, ein staatlich anerkanntes bischöfliches Gymnasium, war schon häufiger Austragungsort für Vortragsveranstaltungen und ist in jedem Jahr der Gastgeber für das vorweihnachtliche Benefizkonzert der Bundeswehr. Es war also keine Überraschung, dass bei dem Referenten und dem Austragungsort, viele Gäste erschienen waren. So freuten sich wieder Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft auf einen informativen Abend.

Generalleutnant Thorsten Poschwatta, Kommandeur des Zentrums für Luftoperationen in Kalkar, stellte den Referenten vor und leitete zum Thema „Doppelte Ambivalenz. Anmerkungen zur Geschichte der Bundeswehr von 1955–2020“ ein. Weiterhin informierte er die interessierten Zuhörer über die nun wieder regelmäßig stattfindenden gemeinsamen Veranstaltungen in Präsenz und übergab anschließend das Wort an Prof. Neitzel.

Der hielt sich nicht lange auf und erinnerte in freier Rede an die Gründung der Bundeswehr. Damals war es sicherlich keine einfache Aufgabe, die Bürger der jungen Republik davon zu überzeugen, dass Deutschland sich wiederbewaffnen und einem militärischen Bündnis anschließen müsse, wolle man einen möglichen kriegerischen Konflikt mit der sich im Osten ausdehnenden Sowjetrepublik bestehen. Unmittelbar hiermit verbunden war die Frage, ob man eine Armee des Friedens, die Bundeswehr, für einen Krieg ausbilden solle. Ein bis in die heutige Zeit reichender Problempunkt war die Frage der Tradition. Klar war, dass man sich nicht von einer nationalsozialistischen Wehrmacht ableiten lassen wollte und dass die Traditionsaufhänger fachlich bestimmt sein müssen. Diese Aufgaben waren sicherlich die schwierigsten, konnte man bei der neuen Bundeswehr doch auch nur auf kriegsgediente Ausbilder zurückgreifen. Unvermeidbar waren dann auch die Konflikte im Umgang mit überlieferten Ritualen, „Tribal Culture“.

Die Bundeswehr, so der Referent, hat diese Aufgaben weitgehend gut gemeistert und ist mittlerweile bei der Bevölkerung anerkannt, 88% der Deutschen stehen hinter der Bundeswehr. Aber, ist die Bundeswehr auch ihre Armee, die Armee der Deutschen, eine Parlamentsarmee? Zweifelslos ist der Ruf der Bundeswehr im Katastropheneinsatz, wie bei der Unterstützung der Hilfeleistung beim Ahrtalhochwasser oder bei der Unterstützung der Gesundheitsämter in der Corona-Pandemie sehr hoch. Wenn es jedoch darum geht, sie aufgabengerecht auszustatten, fällt die Zustimmung ungleich geringer aus. Deshalb, so Neitzel, sei es nicht nur Aufgabe von Politik und Presse allein, hier Überzeugungsarbeit zu leisten, sondern die Führung der Bundeswehr müsse sich selbst engagieren und aus ihrer zurückhaltenden Stille erwachen. Hierbei bezog Prof. Neitzel ausdrücklich auch die Ebene der Abteilungsleiter und hohen Generale mit ein.

45 Minuten hielt Neitzel seine Zuhörer in freier Rede, mit geschliffenen Formulierungen, logischen Ableitungen und spannenden Erinnerungen in seinem Bann. Reichlich Applaus war Dank für diesen gelungenen Vortrag.

Im Anschluss übernahm Michael Urban, Regionalleiter der DAG, die Moderation der Diskussion. 30 Minuten hatte man sich Zeit genommen, die Fragen des Publikums zu beantworten. Diese kamen auch prompt und umfassten den gesamten Inhalt des Vortrages und darüber hinaus, wie auch zu erwarten war, das aktuelle Zeitgeschehen um den Ukrainekrieg. Erfreulich war, dass die vielen jugendlichen Teilnehmer nicht nur aufmerksam zuhörten, sondern auch ihre Fragen platzierten.

Die Oberstufe hatte sich bereit erklärt, das formlose „Get-Together“ bei einem Getränk im Foyer zu organisieren und so war es nicht verwunderlich, dass viele Gäste noch einige Zeit im Gespräch mit sich und dem auskunftsfreudigen Prof. Dr. Sönke Neitzel auf der Gaesdonck

Autor: Michael K. Urban
Fotos: Pressestelle Luftwaffe Kalkar / Marvin Hofmann

Zu Gast:

Prof. Dr. Sönke Neitzel (tbc)

Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte / Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam

Sönke Neitzel, geboren am 26. Juni 1968 in Hamburg, ist ein deutscher Historiker mit dem Schwerpunkt Militärgeschichte. Von 2011 bis 2012 war er Professor für Modern History an der University of Glasgow und von 2012 bis 2015 für International History an der London School of Economics. Seit 2015 ist er Lehrstuhlinhaber für Militärgeschichte / Kulturgeschichte der Gewalt am Historischen Institut der Universität Potsdam und damit der derzeit einzige Professor für Militärgeschichte in Deutschland.

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