Unsere gemeinsame Veranstaltungsreihe mit der GSP zu den Präsidentschaftswahlen 2020, „Alte Freunde, neue Partner?“ machte am 15. Oktober einen Halt am Bodensee.
In Friedrichshafen an der Zeppelin Universität fand die Podiumsdiskussion zwischen Roderich Kiesewetter MdB, Martin Bialecki und Prof. Dr. Dietmar Schirmer zu dem Thema: „Bedeutung und Zukunft der transatlantischen Beziehungen“ statt. Durch den Abend begleiteten und moderierten die Studentinnen sowie Vorstandsmitglieder des Club of International Politics e.V., Neele Abt und Daniela Hobel.
Mit den ersten Statements des Abends wurde klar: „Es gibt kein Zurück zu diesen guten alten Zeiten, […]. Trittbrettfahren und Verstecken hinter dem alten Rücken der USA wird nicht mehr reichen“, äußerte sich Martin Bialecki. Die Präsidentschaftswahlen 2020 bringen einen Umbruch, auch in Europa und besonders für die transatlantische Zusammenarbeit. Doch in welche Richtung dieser Umbruch genau stattfindet, war am 15. Oktober noch fraglich. Der Gewinner der Präsidentschaftswahl, Donald Trump oder Joe Biden, war nicht eindeutig auszumachen. Aus diesem Grund sorgte auch der nur „relativ vorsichtige Optimismus“ von Prof. Schirmer, eine blaue Welle am Wahltag zu erleben, für einen bitteren Beigeschmack.
Wohlwollend rief Roderich Kiesewetter zu Gelassenheit auf. Er erinnerte sich an die Wahlen 2016 und den Sieg Donald Trumps, den ihm zufolge damals so kaum jemand vorhersehen konnte. Es könne also wieder passieren, dass Trump die Wahl für sich entscheidet und deswegen müsse sich besonders Europa auf weitere vier Jahre mit Donald Trump als amerikanischen Präsidenten einstellen.
Doch nicht nur mit der Trump Administration hätte die amerikanische Außenpolitik eine Wende erfahren, die mit einer weiteren Legislaturperiode gefestigt würde. Auf dem Podium klang an, dass auch Joe Biden Veränderungen mit sich bringen werde. Diese stuften die Diskutanten allerdings anders als bei Trump, als Rettungsanker ein: Biden werde zurzeit von vielen Europäer*innen als Hoffnungsträger gehandelt, der eher zu Gunsten Europas und einer Stärkung des transatlantischen Verhältnisses beitragen könnte. Doch dabei sei nicht von einem lockeren Kurs Bidens auszugehen. Beispielsweise sei unter anderem das 2%-Ziel der NATO, dessen Anmahnung gegenüber den europäischen Alliierten in den letzten vier Jahren oft nur Donald Trump zugesprochen wurde, schon seit 2004 ein Streitpunkt, der auch unter Joe Biden weiter ein Thema sein werde, erläuterte Kiesewetter.
Nicht nur die Verteidigungsausgaben würden ein Hemmnis für die transatlantische Gemeinschaft bleiben. Genauso sei Amerika ein Land mit weitreichenden innenpolitischen Problemen, die sich durch die Trump Ära noch weiter vertieft habe und Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen sowie die Führungsposition der USA in der Welt hätte.
Martin Bialecki vermutete, dass die USA selbst unter Joe Biden keine Kraft haben werde, ihre frühere Hegomonialstellung wiederzuerlangen. Priorisieren werde Bidens Politik eine Einigung und Zusammenführung der U.S.-Bevölkerung. Auch bezüglich vermeintlich erwartbarer Zugeständnissen der USA unter Joe Biden waren sich die Podiumsgäste einig: „Europa wird ein bisschen unsexy“, merkte Prof. Schirmer an. Es müsse aufpassen amerikanische außen- und sicherheitspolitische Interesse nicht komplett an den pazifischen Raum zu verlieren.
Eine Milderung der Probleme hätte es durch ein transatlantisches Handelsabkommen vor der Präsidentschaft Trumps geben können, so Kiesewetter. Immerhin 30% des weltweiten Handels liefen zwischen den transatlantischen Partnern ab. Doch ein solches Abkommen sei nie zustande gekommen und zusätzlich werde der Umgang von Donald Trump mit China in der internationalen Handelspolitik lange nachhallen.
Das Podium war sich einig: Europa habe mit Russland oder China für einen neuen Partner in der Welt des 21. Jahrhunderts keine echten Wahlalternativen, da diese Länder und Systeme seine Werte nicht teilten. Europa müsse es stattdessen schaffen, die USA im transatlantischen Werteraum zu halten. Daher seien die zukünftigen Anforderungen an Europa von insgesamt größerer Dimension, sogar in Falle einer Biden-Präsidentschaft. Europa müsse Einigkeit beweisen und etwas tun, dass es bisher nie gelernt habe: Außenpolitische Eigenständigkeit.