Der Wandel hin zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsweise wird die globale Ordnung in den kommenden Jahren grundlegend verĂ€ndern. In Anlehnung an den âNew Dealâ, den US-PrĂ€sident Franklin D. Roosevelt in den 1930er Jahren als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise ins Leben rief, machen sich Demokraten im US-Kongress seit 2019 fĂŒr einen âGreen New Dealâ stark. Den Ăbergang zu einer ressourceneffizienten und nachhaltigen Wirtschaft strebt auch die EuropĂ€ische Kommission mit ihrer Gesetzesinitiative des âEuropean Green Dealâ an. Nicht zuletzt die chinesische Industriepolitik setzt auf Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien. Welche Chancen und Risiken sich bei der Implementierung solcher Mammut-Nachhaltigkeitsstrategien ergeben und wie sich sicherheitspolitische Herausforderungen gestalten, diskutierte das gemeinsam vom Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr und YATA Germany veranstaltete Seminar im April 2021 mit rund 25 Studierenden, Nachwuchsakademikern und Young Professionals.
Unter Pandemiebedingungen fand das Seminar im Online-Format statt, was aber einer lebhaften Diskussion sowie dem direkten Austausch unter den Teilnehmenden in Kleingruppen nicht im Wege stand. Auch ĂŒber das Seminar hinaus konnten so Kontakte geknĂŒpft, Forschungsthemen abgeglichen und PlĂ€ne fĂŒr gemeinsame Projekte geschmiedet werden. Bemerkenswert war die gute ArbeitsatmosphĂ€re im Online-Raum, sodass sicher weitere Zusammenarbeiten im Rahmen von YATA entstehen werden.
Das dreitĂ€gige Programm bot eine Reihe von VortrĂ€gen samt anschlieĂender Möglichkeit zur Diskussion mit Fachleuten aus Wissenschaft und deutscher sowie europĂ€ischer AuĂenpolitik. Diese wurden in mehreren Workshop-Einheiten von den Teilnehmenden vor- und nachbereitet, sodass auch viel Zeit zur eigenen kreativen BeschĂ€ftigung mit den Thematiken blieb. Morgen-Briefings und Abend-Debriefings rundeten das Programm ab. Am ersten Abend bot sich zudem die Möglichkeit zum virtuellen Get-Together, am zweiten Abend stellte Vorstandsmitglied Veronika Fucela die Strukturen von YATA Germany vor.
Der erste Seminartag diente der Erarbeitung eines ganzheitlichen Sicherheitsbegriffs. Nach einer einleitenden BegrĂŒĂung durch den Seminarleiter Dr. Philip Jan SchĂ€fer (Wissenschaftlicher Referent beim Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr, Bereich Weiterentwicklung) und einer Vorstellungsrunde der Teilnehmenden skizzierte Professor Thomas Ries (National Defence College, Stockholm) unter dem Titel âFlow Securityâ eine systemorientierte Sicherheitsvorstellung. Er fĂŒhrte vor Augen, wie vernetzt die moderne Welt als âglobales Dorfâ ist. Illustriert wurde dies anhand von menschengemachten wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Vernetzungen bzw. Strömen (flows), die zudem auf ein funktionierendes globales Ăkosystem angewiesen sind. Ausgehend von der These, dass solche modernen Systeme zwar sehr effizient aufgebaut, aber dafĂŒr fragil sind, wurden mögliche Szenarien des Systemzusammenbruchs diskutiert. Interessant war der global vergleichende Blick auf Demokratien und Autokratien, der auf Professor Riesâ jahrzehntelanger und bis in die Zeit des Kalten Kriegs zurĂŒckreichender Forschungserfahrung basierte.
Vortrag und Diskussion dienten als Ausgangspunkt, um anschlieĂend in einer von Dr. Philip Jan SchĂ€fer angeleiteten Einheit eine Perspektive aus Sicht der deutschen Sicherheitspolitik hinzuzufĂŒgen. Grundlagen eines erweiterten Sicherheitsbegriffs wurden anhand von Politikfeldern wie Cyber und Klima thematisiert und illustriert.
So konnten Schwerpunktthemen aus Sicht der Teilnehmenden identifiziert werden, die am Morgen des zweiten Seminartags in Kleingruppen diskutiert wurden. Die Aufgabenstellung fĂŒr diese Workshop-Einheit bestand darin, hinsichtlich der fĂŒr den âEuropean Green Dealâ relevanten Felder Energie, Ressourcen und Sicherheitspolitik Themen zu priorisieren und Politikempfehlungen zu generieren. Das bot viel Raum fĂŒr eine offene Debatte, von der Wasserpolitik im Nahen Osten ĂŒber Recycling-Strategien bis hin zu geopolitischen Fragen im sĂŒdchinesischen Meer. Daran gut anknĂŒpfend erhielt die Gruppe die Gelegenheit zum Austausch mit zwei Experten vom AuswĂ€rtigen Amt: Meik Clemens Laufer, Referent fĂŒr EnergieauĂenpolitik, und Dr. Sebastian Leuschner, Referent fĂŒr Klima- und UmweltauĂenpolitik, sprachen ĂŒber Auswirkungen des Klimawandels auf die globale Sicherheitslage und die Antworten vonseiten Nationalstaaten und multilateralen Organisationen im globalen Vergleich (z.B. UN-Resolutionen, Aufnahme von Klimathemen in die Globale Strategie der EU). Indem die Referenten diesen umfassenden Blick mit einem direkten Bericht ĂŒber ihre jeweiligen Arbeitsbereiche verknĂŒpften, wurde Deutschlands Beitrag zur europĂ€ischen und internationalen Klimadiplomatie besonders deutlich. Die Speaker unterstrichen: Es besteht dringender Handlungsbedarf, da sich bei FortfĂŒhrung des gegenwĂ€rtigen Ambitionslevels immer noch eine ErderwĂ€rmung von ca. 3,2 Grad ergibt â entgegen der im Pariser Klimaabkommen definierten Begrenzung auf deutlich unter 2 Grad. Konkrete Beispiele aus dem Arbeitsfeld KlimaauĂenpolitik wie das Projekt Nordstream II oder der Palmölkonflikt zwischen der EU und den ASEAN-Staaten rundeten den Vortrag ab.
Die angesprochene EU-Perspektive vertiefte daraufhin Pierre Schellekens, Referatsleiter Kommunikation in der Generaldirektion Energie der EuropĂ€ischen Kommission. Die EU könne mit gutem Beispiel vorangehen und auch andere Akteure wie die USA, China oder Indien zu mehr KlimaneutralitĂ€t motivieren. Eng verknĂŒpft sei diese Aufgabe mit dem EU-Ziel der globalen Demokratieförderung, denn die meisten der weltgröĂten Verursacher von CO2-Emissionen seien keine Demokratien. Daher unterstrich Schellekens die Wichtigkeit, LĂ€ndern wie Marokko Anreize zum Export von sauberer Energie nach Europa zu geben.
Am letzten Seminartag beschĂ€ftigte sich die Gruppe mit einem Thema, das laut wissenschaftlicher Meinung bei der Politikgestaltung im Rahmen eines âGreen New Dealâ stĂ€rker berĂŒcksichtigt werden sollte: Die Verrechtlichung der Weltmeere (Ocean Governance). Dr. Ulrike Kronfeld-Goharani vom Institut fĂŒr Sozialwissenschaften an der UniversitĂ€t Kiel stellte Grundlagen der Entwicklung des internationalen Seerechts vor, erklĂ€rte, wie maritime Zonen eingeteilt und BesitzansprĂŒche rechtlich geregelt werden und verdeutlichte: Eine universale Meeresregierung existiert bis dato nicht. Vielmehr umfasst die Ocean Governance ein unkoordiniertes System von autonomen Prozessen, von einer Vielzahl an Akteuren, Institutionen und politischen MaĂnahmen umgesetzt. Ăberschneidungen und Dopplungen, etwa in den institutionellen Befugnissen, sind daher keine Seltenheit. Als Profiteure eines solchen Systems nannte Kronfeld-Goharani jene Staaten, die auf hoher See einzelne, wenn auch kleine, Inseln besĂ€Ăen, die exklusive Fischereirechte und Rechte an BodenschĂ€tzen in einem groĂen Umkreis begrĂŒndeten. BezĂŒglich letzterer erklĂ€rte die Referentin das in den letzten Jahren gestiegene Interesse am Tiefseebergbau zur Förderung von Rohstoffen etwa in Form von Manganknollen.
Hier wurden Zielkonflikte besonders deutlich: Zwischen der materialintensiven ökonomischen Entwicklung in Industriestaaten, die gerade im Technologiesektor auf Metalle, wie sie in der Tiefsee zu finden sind, angewiesen ist, und der AbhĂ€ngigkeit der KĂŒstenbewohner von gesunden Ăkosystemen; zwischen einem Mehr an Technologie und gestiegener SensibilitĂ€t fĂŒr den Klimawandel; zwischen Interessen des globalen Nordens und SĂŒdens. Bei der Gruppe verblieb in der anschlieĂenden Diskussion eine groĂe SensibilitĂ€t fĂŒr solche Dilemmata. Im abschlieĂenden Workshop, der eine Verbindungslinie zwischen dem Anspruch eines âGreen New Dealâ und internationaler Sicherheitspolitik zog, schwang daher stets das Bewusstsein eines gröĂeren Handlungsbedarfs mit. Nicht zuletzt deshalb war das Seminar ein voller Erfolg: Viele Fragezeichen verblieben, die die Mitglieder der Gruppe sicher weiter auf ihrem akademischen und beruflichen Weg begleiten werden.








