Deutsche Atlantische Gesellschaft e.V.

(12) Afghanistan: Regierung und Taliban sind bereit zu direkten Friedensgesprächen

Die islamische Regierung Afghanistans und die islamistischen Taliban haben gegenseitig ausrichten lassen, dass sie nun zur Aufnahme von Friedensgesprächen bereit sind. Es ist ein Erfolg vieler diplomatischer Vermittlungsversuche, aber auch das Ergebnis einer gefährlich einseitigen Vereinbarung zwischen den USA und den Taliban, dem sogenannten »Deal von Doha«.

Vor 20 Jahren hatten die US-geführten NATO-Truppen die islamistischen Taliban noch aus der Regierung gebombt. Bis zum Mai kommenden Jahres und 180.000 dokumentierte Todesopfer später überlassen die Amerikaner das weitgehend schutzlose Land den Taliban. Den Preis für die Friedensgespräche hat die US-Administration festgelegt. Gezahlt hat ihn die afghanische Regierung mit der Freilassung von 5.000 Taliban-Gefangenen. Die Gegenleistung der Taliban besteht im Kern nur aus ebendieser schmalen Zusage, mit der afghanischen Regierung über Frieden zu sprechen.

»Aber«, sagt unser gerade aus Afghanistan nach Deutschland zurückgekehrter Gast, Prof. Dr. Hans-Joachim Gießmann, »unterschätzen Sie den afghanischen Präsidenten nicht«. Für Ashraf Ghani steht fest: Ohne Staatsform einer demokratisch orientierten Republik geht es nicht. Doch auch die Taliban haben rote Linien, wenngleich es heute eine neue Generation von Taliban gebe, »die mit den alten ikonischen Kämpfern nur noch begrenzt etwas zu tun haben«.

Was also wird aus Afghanistan, wo es bis heute täglich neue Opfer gibt? Etwa ein IS-Kalifat, ein gemäßigtes Taliban-Emirat, oder doch eine demokratisch ausgerichtete Republik unter talibanischer Führung?

Unser Gast kennt die Verhandlungsführer persönlich, hat den Präsidenten in den letzten Wochen mehrfach beraten und pendelt seit Jahren unter anderem als Emissär der Berghof-Foundation zwischen den Kontrahenten hin und her. »Die Kabuler Seite versteht nicht, dass die Diversität der Gesellschaft, die sie widerspiegelt, ein Trumpf ist für sie und nicht eine Carte blanche für den Untergang«.

Die Zeit für Friedensgespräche sei reif, sagt Gießmann, die Vorstellungen darüber, was aus Afghanistan am Ende von Friedensgesprächen werden könnte, gehen jedoch weit auseinander. Nur eines sei auch den Taliban klar: Militärisch kann in Afghanistan niemand einen Krieg gewinnen.

Zu Gast:

Prof. Dr. Dr. Hans-Joachim Gießmann

Geschäftsführer (2008-2019) der Berghof Foundation; Politikwissenschaftler

Hans Joachim Giessmann ist Direktor Emeritus der Berghof Foundation und Associate Professor an der Universität Hamburg. Von 2008 bis 2019 war er Executive Director der Berghof Foundation. Zuvor war er stellvertretender wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. Von 2009 bis 2014 war er Mitglied des Global Advisory Council for Terrorism des Weltwirtschaftsforums und von 2011 bis 2012 Vorsitzender des Rates.
Seit 2014 unterstützt er den afghanischen Friedensprozess, derzeit mit Schwerpunkt auf den Verhandlungen in Doha zwischen den Delegationen der Islamischen Republik Afghanistan und der Taliban-Bewegung. Darüber hinaus unterstützt er die Bemühungen nationaler Akteure um die Wiederherstellung des Friedens und die Etablierung eines Nationalen Dialogprozesses in Äthiopien.
Als Autor, Herausgeber oder Mitherausgeber hat er 35 Bücher und mehr als 300 wissenschaftliche Artikel mit Übersetzungen in mehr als 10 Sprachen veröffentlicht. Er ist weltweit in den Medien präsent, in den USA zum Beispiel bei CNN, ABC NBC, NPR, Washington Post und der Los Angeles Times. Hans J. Giessmann ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Atlantischen Gesellschaft.

Moderation:

Oliver Weilandt

Geschäftsführer der Hörfunkagentur »Internationaler Audiodienst (iad)«

Oliver Weilandt moderiert den »Atlantic Talk Podcast« der Deutschen Atlantischen Gesellschaft. Der Agenturleiter und Autor zahlreicher Radiofeature und politischer Hintergrundberichte auf den Wellen der ARD sowie in den Programmen des Deutschlandradios verantwortet unter anderem auch das Privatfunkprogramm der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

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