Seitdem die Europäische Union in ihrer „Globalen Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik“ im Jahr 2016 erstmals explizit das Ziel äußerte, strategische Autonomie anzustreben, mangelte es in den letzten Jahren nicht an Lackmustests für diesen Vorsatz: Der europäische Rettungsversuch des Iran-Abkommens nach dem unilateralen Ausstieg der Regierung Donald Trumps oder die Frage, wie die EU nach dem US-Austritt das Pariser Klimaabkommen wiederbeleben könne, haben eine rege Debatte angestoßen. Es geht um die Grenzen europäischer Soft Power und Optionen für eine militärisch unterfütterte Rolle als Sicherheitsgarant in der eigenen Nachbarschaft. Die EU solle die Sprache der Macht lernen, so Außenbeauftragter Josep Borrell im Oktober 2019, während zeitgleich infolge des türkischen Einmarsches in die syrischen Kurdengebiete die Spannungen zwischen den NATO-Verbündeten USA und Türkei zunahmen und die Bedeutung von Großmachtrivalitäten im regionalen Gefüge vor Europas Haustür untermalten.
In diesem Feld gilt es, Perspektiven auf die globale Rolle der EU zu diskutieren. Wie unabhängig können und sollten sich die Europäer vom Partner USA machen, wie sich in strategisch wichtigen Weltregionen wie Nahost oder dem Indopazifik positionieren? Zentral geht es dabei um die Positionierung der Europäischen Union gegenüber China. Zwischen den Vorstößen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der strategische Autonomie auch militärisch denkt, und der auch unter dem neuen Präsidenten Joe Biden unveränderten Erwartung, Europa solle seine eigene Sicherheit stärker selbst in die Hand nehmen, beleuchteten wir aktuelle Handlungsoptionen. Vor dem Lichte einer zu hinterfragenden multilateralen Ausrichtung Joe Bidens sprachen wir auch über Perspektiven für eine neue deutsche Außenpolitik nach der Koalitionsbildung: Welcher Aufbruch der EU kann mit einer möglichen Ampelkoalition gelingen, wie hält sie es mit der strategischen Autonomie Europas?
Gäste:
Prof. Dr. Gisela Müller-Brandeck-Bocquet
Inhaberin der Professur für Europaforschung und Internationale Beziehungen an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Dr. Andrew B. Denison
Direktor von Transatlantic Networks
Moderation:
Martin Wagner
Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks (2014−2020)